Julia Extra Band 375
schließlich Selbstmord. Aber wenigstens hat er zu seinen Lebzeiten das gemacht, was er liebte.“
„Ja, wahrscheinlich sollte man für die kleinen Gnaden dankbar sein. Liebst du noch, was du tust, Drake?“
„Natürlich.“
Es lag nicht der geringste Zweifel in seiner Stimme, und Layla war froh, dass es wenigstens einen Bereich in seinem Leben gab, in dem er sich weder traurig noch einsam fühlte.
„Hast du schon als Kind viel gemalt und gezeichnet?“, fragte sie in beiläufigem Tonfall.
Drakes Miene verdüsterte sich. „Nur in der Schule.“
„Und hat es dir Spaß gemacht?“
Ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel vertrieb den finsteren Ausdruck wieder. „Ja, hat es. Es stellte sich heraus, dass ich ein gewisses Talent dafür hatte. Ich nehme an, es war die Initialzündung für meine Leidenschaft, Häuser zu entwerfen – und so bin ich schließlich Architekt geworden. Wahrscheinlich war ich auch schon immer davon überzeugt, dass jeder in einem schönen Heim leben sollte, und wenn ich eine Wohnung zeichnete, konnte ich sie so perfekt machen, wie ich wollte.“
„Das ist eine schöne Motivation“, bemerkte Layla nachdenklich. „Und bei dir zu Hause hast du nie mit Stiften und Farben herumgewerkelt?“
„Nein.“
„Hättest du es denn gern gewollt?“
Die Antwort bestand aus einem langen Schweigen.
„Tja“, meinte Layla schließlich. „Sieht so aus, als hätte ich mich mal wieder über ein Betreten-verboten – Schild hinweggesetzt.“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme eine Spur genervt klang.
Drake zog eine dunkle Braue hoch und schüttelte leicht den Kopf. „Unser Familienleben war nicht gerade so, dass es meine kindliche Freude am Experimentieren gefördert hätte. Sei es mit Farben oder sonst etwas. Das ist alles, was ich im Moment dazu sagen möchte. Vielleicht können wir später darauf zurückkommen, aber jetzt würde ich mir lieber weiter die Ausstellung ansehen. Schließlich sind wir deswegen hierhergekommen.“
Obwohl Drakes Antwort nicht so aufschlussreich war, wie sie sich gewünscht hätte, erweckte sie in Layla doch eine gewisse Hoffnung, dass er eines Tages bereit sein würde, sich offen mit ihr über seine Vergangenheit zu unterhalten.
Als ihr wieder die kleine Schachtel in ihrer Manteltasche einfiel, wurde ihr ganz heiß. Warum in aller Welt zögerte sie die Einnahme so heraus? Sie war doch kein unreifer Teenager mehr, sondern eine erwachsene Frau, und die Situation verlangte nach Vernunft und Realitätssinn!
Warum in aller Welt hatte sie sich von der verrückten Vorstellung, ein Kind von Drake zu haben, so den Kopf verdrehen lassen? Sie waren schließlich kein Paar. Sie arbeitete in einem schlecht bezahlten Job in einem Café, und Drake war mit der wichtigen Aufgabe betraut, ihrer am Boden liegenden, von Armut bedrohten Stadt wieder auf die Beine zu helfen. Das Letzte, was er oder sie jetzt brauchten, war ein Baby. Zumal sie einander erst seit Kurzem kannten und nicht wussten, ob die Anziehung zwischen ihnen vielleicht nur ein Strohfeuer war.
Sie sollte also das einzig Richtige tun und endlich diese verdammte Pille schlucken! Alles andere wäre nicht nur dumm, sondern ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.
Dennoch zog Laylas Herz sich jedes Mal schmerzhaft zusammen, wenn sie Drake einen verstohlenen Seitenblick zuwarf. Sie sah sich um und entdeckte schließlich das Zeichen für die Damentoilette am anderen Ende der Galerie. Abrupt befreite sie ihre Hand aus Drakes Griff und murmelte: „Tut mir leid, aber ich muss mal schnell verschwinden. Es dauert nicht lange.“
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Seine grauen Augen blickten so besorgt, dass ihre Knie ganz weich wurden.
„Ja, sicher.“
„Wenn du zurück bist, gehen wir oben im Restaurant einen Kaffee trinken. Und wenn wir alles gesehen haben, was wir wollten, möchte ich mit dir einkaufen gehen. Ich muss doch noch die Bluse ersetzen, die ich zerrissen habe.“
„Das brauchst du nicht.“
Bei der Erinnerung daran, wie es zu dem Malheur gekommen war, wurde Layla rot wie ein Schulmädchen. Drake, der ihre Gedanken zu erraten schien, betrachtete sie mit amüsiert funkelnden Augen.
„Doch, den gibt es“, widersprach er ihr. „Ich will mein Hemd zurückhaben.“
Sie wusste, dass er versuchte, seinen scharfen Tonfall von vorhin wiedergutzumachen. Offenbar waren ihm ihre Gefühle nicht egal, und es war ehrenwert von ihm, dass er ersetzen wollte, was er in der Hitze der Leidenschaft zerstört
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