Julia Extra Band 375
zum Atmen, und als sie wieder sprechen konnte, artikulierte sie ihre schlimmsten Befürchtungen, die sie zu überwältigen drohten.
„Ich habe so Angst, dass irgendwas schiefgeht.“
Sein samtschwarzer Blick hüllte sie ein. Er nahm ihre freie Hand und zog sie kurz an die Lippen. „Das ist sehr unwahrscheinlich. Du bist hier in guten Händen. Und weißt du was, Jus? Du hast es selbst gesagt. Eine Geburt ist die natürlichste Sache der Welt.“
Hatte sie das wirklich? Hatte sie wirklich so großspurig dahergeredet, obwohl ihr jetzt so schrecklich bange war?
Ihre Fingernägel krallten sich noch tiefer in seine Hand. „Ich will pressen!“
Dante warf der Hebamme einen fragenden Blick zu, woraufhin diese nickte. „Dann press, tesoro “, sagte er sanft. „Press, so fest du kannst.“
Sie schrie, und ihr verzweifelter Schmerzensschrei zerriss ihm das Herz. Dante fühlte sich hilfloser denn je. Als er sah, wie sie sich vor Schmerz aufbäumte, litt er mit ihr und tat dabei alles für sie, was er konnte, auch wenn es herzlich wenig war. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht, wenn sie ihren Kopf auf dem Kissen herumwarf, und kühlte mit kaltem Wasser ihre Schläfen, was sie ihm mit einem erleichterten Aufstöhnen dankte. Aber die Erleichterung war nicht von Dauer.
Viel zu bald schon stieg die Anspannung im Raum, Justinas Schreie wurden durchdringender. Dante, der an ihrem Kopfende saß, sah, dass sich die Bewegungen der Hebammen beschleunigten, obwohl die ältere Frau noch Zeit fand, den Kopf zu heben und ihn zu fragen: „Möchten Sie hier runterkommen, um aus nächster Nähe mitzuerleben, wie Ihr Kind auf die Welt kommt, Signor D’Arezzo?“
Dante suchte Justinas Blick, und sie nickte stumm. Dabei hatte er schon fast mit einer spitzen Bemerkung gerechnet, und die wäre ihm wohl auch nicht erspart geblieben, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt gewesen wäre, einem Kind das Leben zu schenken. Und so kniff sie nur die Augen wieder ganz fest zu, während sich ihr Gesicht vor Anspannung verzerrte.
Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Angespannte Worte und erstickte Schreie flogen durch die Luft, als Justina wieder begann, mit aller Kraft zu pressen. Dante stockte der Atem, als sich zwischen ihren Beinen ein dunkler Haarschopf zeigte, der sich nur wenig später wie durch ein Wunder zu einem zerknautschten, mit blutigem Schleim beschmierten Baby vervollständigte. Und als der Säugling den Mund aufriss, um einen ersten kräftigen Schrei auszustoßen, und irgendwer sagte: „Es ist ein Junge!“, wusste er nicht wohin vor Glück.
Man legte ihm das glitschige Baby in die Wiege seiner großen Hände, bevor die Nabelschnur durchtrennt wurde, und Dante wurde die Brust so eng, dass er kaum Luft bekam. Das war sein Kind. Sein Sohn. So winzig und hilflos. Als ihm die Hebamme das Baby wieder abnahm, brannten in seinen Augen Tränen. Die Frau wusch es behutsam und sorgfältig, bevor sie es Justina an die Brust legte, wo es prompt zu nuckeln begann. In andächtigem Schweigen beobachtete Dante, wie Justina dem Neugeborenen mit einem Finger ganz zart über die Wange strich und dabei in sich hineinlächelte.
In diesem Moment begehrte er sie mehr als jemals zuvor in all den Jahren.
8. KAPITEL
Justina beobachtete, wie sich Dantes Finger mit erstaunlicher Zartheit über das winzige Baby bewegten, während er sich, den dunklen Kopf gebeugt, ganz auf den Moment konzentrierte. Wie behutsam er ist, dachte sie. Als ob Nico nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus hauchdünnem Porzellan wäre. Bei diesem Gedanken wurde sie von unerwünschten Gefühlen überschwemmt, darunter etwas, das gefährlich nah an Wehmut grenzte.
Sie versuchte rigoros, das Gefühl wegzuschieben, und bemerkte: „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich jemals das Vergnügen haben könnte, dich beim Windelwechsel zu beobachten.“
Dante gab Nico ein abschließendes Küsschen auf den Bauch, bevor er Justina einen Blick zuwarf. Kaum zu glauben, dass diese gertenschlanke junge Frau vor kaum einem Monat ein Kind geboren hatte. Mit ihren schwarzen, zu einem langen Zopf geflochtenen Haaren und so ganz ohne Make-up wirkte sie entspannter denn je. Er konnte sich nicht erinnern, sie jemals derart gesund, natürlich und verführerisch gesehen zu haben. Ihre Haut war weich und klar, und ihre Augen glänzten.
„Das ist doch nichts Besonderes“, winkte er ab, während er den schläfrigen Nico von der Wickelunterlage hochhob und behutsam in sein Bettchen
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