Julia Extra Band 375
sonnengelben Wände des Kinderzimmers waren mit einer großflächigen bunten Dschungelszene geschmückt, und von der Decke baumelte ein sich sanft im Luftzug drehendes Mobile aus Tigern und Löwen. Der Anblick des Zimmers entlockte Justina ein zufriedenes Lächeln. Tiffany in New York veranstaltete so einen Wirbel, dass man fast meinen könnte, ein Kinderzimmer einzurichten hätte etwa den Schwierigkeitsgrad einer Gehirnoperation.
„Vielleicht sind Sie so freundlich und richten Dante aus, dass ich wunschlos glücklich bin“, erwiderte sie.
„Ja, selbstverständlich, sehr gern“, flötete Tiffany, hörbar nicht ganz überzeugt. „Aber vielleicht möchten Sie ihm das ja auch lieber persönlich sagen, Miss Perry.“
„Leider fehlt mir die Zeit …“
„Justina?“
Als Dantes samtige Stimme an ihr Ohr drang, hätte Justina am liebsten gekreischt. Konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
„Was willst du?“, fuhr sie ihn an.
„Ich wollte mich nur erkundigen, wie du dich heute fühlst.“
„Ganz ehrlich? Ich bin müde, fühle mich wie ein gestrandeter Wal, und diese ewigen Kontrollanrufe hängen mir zum Hals heraus …“
„Und hast du noch den einen oder anderen Gedanken an meine Bitte verschwendet?“, unterbrach er sie in einschmeichelndem Ton.
„Es ist alles gesagt.“ Sie holte tief Atem. „Ich will bei der Geburt niemand dabeihaben, und dich schon gar nicht. Es steht nirgends geschrieben, dass man eine Begleitperson mitbringen muss.“
Es hörte sich an, als ob Dante mit den Fingern auf dem Hörer herum trommelte. „Das ist mir bewusst“, sagte er. „Aber es wäre wünschenswert. Du kannst nicht alles allein entscheiden, Justina.“
„Oh, natürlich kann ich, und ich werde es auch.“ Sie unterbrach sich für einen Moment, weil ihr ein kurzer scharfer Schmerz die Luft zum Atmen raubte. „Eine Geburt ist nämlich das Normalste von der Welt, falls du es noch nicht weißt. Außerdem sind wir nicht mal ein Paar.“ Noch während sie sprach, erinnerte sie sich an ihre letzte Begegnung und spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Kein Wunder, dass er glaubte, ihr ständig Vorschriften machen zu können. Dann zeig ihm einfach, dass er sich irrt! „Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, Dante. Nur falls du es vergessen hast.“
„Wie könnte ich, wo du doch keine Gelegenheit auslässt, mich daran zu erinnern?“
„Und warum hörst du mir dann nicht zur Abwechslung mal zu, statt nur dauernd zu versuchen, mir deinen Willen aufzudrücken? Ich könnte …“ Der Rest ihres Satzes blieb ihr im Hals stecken, weil ein Band aus glühendem Stahl um ihren Bauch zuschnappte.
„Justina? Bist du noch da?“
Der Schmerz war so heftig, dass sie die Hand über den Hörer legte, damit er ihr Keuchen nicht hörte. Sie konnte erst wieder sprechen, nachdem der Schmerz abgeebbt war, dann sagte sie gespielt munter: „Entschuldigung, aber … aber ich dachte, da ist jemand an der Tür.“
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, kam es hörbar irritiert zurück.
„Ja, sicher. Mir geht es gut.“
„Wann warst du zuletzt beim Arzt?“
„Wie vorgesehen letzte Woche. Ich habe alle Termine gewissenhaft eingehalten. Würdest du jetzt bitte endlich aufhören, mich wie ein Kleinkind zu behandeln?“, sagte sie. „Ich komme sehr gut allein zurecht. Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen, ich habe zu tun. Nur keine Sorge, Dante. Du bekommst sofort Bescheid, falls sich irgendetwas Entscheidendes tut.“
Damit legte sie auf und ging hinüber zum Fenster, wo sie versuchte, diese enervierende Unruhe abzuschütteln, die sie verspürte. Sie hatte das Gefühl, gleich zu ersticken, aber an die frische Luft wollte sie nicht, weil es seit sieben Tagen ununterbrochen regnete und nichts darauf hindeutete, dass es je wieder aufhören würde zu regnen.
Sie beschloss, ein bisschen fernzusehen, und blätterte gerade durch die Kanäle, als sie jäh von der nächsten Welle des Schmerzes überschwemmt wurde. Es tat so weh, dass sie die Rückenlehne der Couch umklammerte. Erst als sich die Anfälle in regelmäßigen Abständen wiederholten, dämmerte ihr, dass das die ersten Wehen waren.
Sie versuchte ruhig zu bleiben und sich daran zu erinnern, was jetzt zu tun war. Bleiben Sie solange wie möglich zu Hause. Messen Sie die zeitlichen Abstände zwischen den Wehen und melden Sie sich im Krankenhaus an. Die nächste Wehe krallte sich wie eine eiserne Faust in ihre Mitte, während sie sich leise keuchend das Telefon
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