Julia Extra Band 375
legte.
„Scheint so“, gab Justina zurück, wobei sie sich wünschte, dass er aufhören möge, so … so selbstverständlich daherzureden. Sie hob spöttisch die Augenbrauen. „Aber ich dachte, ein richtiger Mann wie du …“
Sie beendete ihren Satz nicht, als sie sein trockenes Grinsen sah. „So wie du das sagst, Justina, klingt es nach Goldkettchen, dicken Muskeln und stolzgeschwellter nackter Brust. Aber auch ein ‚richtiger‘ Mann kann ein Kind wickeln.“ Er zuckte die Schultern. „Obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass mein Vater jemals auch nur eine einzige Windel gewechselt hat. Da hat sich in den letzten Jahren doch einiges verändert.“
Justina begann eins von Nicos winzigen Hemdchen zusammenzulegen. „Du hast mir noch gar nicht berichtet, wie deine Familie auf die Nachricht reagiert hat. Du hast es ihnen doch bestimmt erzählt, oder?“
„Sicher. Noch am selben Abend. Meine Mutter schwimmt in Wonne. Nico ist ihr erstes Enkelkind, und sie kann es kaum erwarten, ihn endlich kennenzulernen. Die ganze Familie ist schon sehr gespannt.“
Justina nickte. Natürlich waren sie gespant, und das war ihr gutes Recht, so viel war ihr klar. Wie auch die Tatsache, dass sie das unvermeidliche Familientreffen nicht beliebig lange hinausschieben konnte. Sie lebte seit Nicos Geburt wie in einer Blase, ein Zustand, der sich dadurch, dass Dante ihr angeboten hatte, ihr mit dem Baby zu helfen, noch verstärkte. Warum er das machte, wusste sie nicht, vielleicht befürchtete er ja, sie könnte im Morast einer Kindbettdepression versinken. Auf jeden Fall hatte er sich nach der Geburt spontan in einem Hotel ganz in ihrer Nähe einquartiert, sodass er jederzeit vorbeischauen konnte, wenn er seinen Sohn sehen wollte.
Bei ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus hatte er ihr Blumen geschickt. Einen gewaltigen Strauß, der kaum durch die Tür gepasst hatte. Der Duft war ihr zu Kopf gestiegen, und als sie die beigefügte Karte gelesen hatte, mit der er sich bei ihr bedankte, waren ihr die Tränen in die Augen geschossen. Aber Weinen war für sie tabu. Sie hatte nie geweint. Weil Weinen schwach machte und sie gerade jetzt besonders stark sein musste.
Sie dachte an ihre unwirsche Reaktion, fast so, als ob er ihr ein Paket mit Sprengstoff geschickt hätte. Aber ihre Finger hatten gezittert, als sie die weißen Blütenblätter berührt hatte. „Warum schickst du mir Blumen?“, hatte sie ihn gefragt.
„Ist das nicht normal in so einer Situation?“
Justina hatte den Kopf geschüttelt. Natürlich war es normal , ganz allgemein gesprochen. Aber bei ihnen war schließlich nichts normal, oder? Ein Mann und eine Frau, die schon lange nichts mehr verband, hatten ein Kind bekommen. Und Dante war nicht zu trauen. Das durfte sie nie vergessen.
Sie atmete tief durch, als sie jetzt seinem Blick begegnete. „Heißt das, dass deine Mutter herkommen will?“
Er schüttelte den Kopf. „Meine Mutter reist nicht gern. Ich finde, wir sollten mit Nico hinfahren. Auch damit er schon mal eine Ahnung von seinen italienischen Wurzeln bekommt.“
Im zarten Alter von vier Wochen? Da konnte Justina nur den Kopf schütteln, aber sie kannte Dante gut genug, um zu wissen, dass er ihren Widerspruch vom Tisch wischen würde. Deshalb war sie entschlossen, sich kompromissbereit zu geben, egal wie schwierig dieser Besuch für sie selbst auch werden mochte. Denn Nico brauchte eine Familie, und ihre eigene hatte es ja nicht einmal bis in die Startlöcher geschafft.
„Hassen sie mich immer noch?“, fragte sie mit einer Stimme, die gar nicht wie ihre eigene klang.
„Von Hass zu sprechen ist übertrieben, Justina. Du solltest es vielleicht etwas weniger emotional sehen.“
„Aber hast du nicht immer beklagt, dass ich nicht emotional genug bin?“ Das hatte er ihr stets ausgerechnet dann vorgeworfen, wenn eine Konzerttournee anstand.
Dante schaute ihr in die glitzernden bernsteinfarbenen Augen. Ja, das stimmte. „Meine Familie hasst dich trotzdem nicht“, wich er aus.
Es blieb einen Moment still. „Mit offenen Armen haben sie mich damals aber auch nicht gerade empfangen.“
„Ich denke, sie haben sich redlich bemüht.“ Er streckte die Hand aus und fuhr Nico zärtlich über den Kopf. „Aber meine Mutter ist eben ziemlich altmodisch und konnte sich mit deiner Berufswahl nicht recht anfreunden … oder mit den Begleiterscheinungen, genauer gesagt.“
„Wie die Mutter so der Sohn!“ Doch Justina wusste, dass nicht nur
Weitere Kostenlose Bücher