Julia Extra Band 375
schieflaufen konnte. Angefangen hatte es damit, dass der Aufzug in ihrem Haus für volle zwei Tage ausgefallen war, was für Justina bedeutete, dass sie alles, was rauf in die Wohnung musste, sieben Stockwerke hochschleppen musste. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, wenn sie ihren Stolz hinuntergeschluckt und Dante um Hilfe gebeten hätte, aber sie war wild entschlossen, sich nicht von ihm abhängig zu machen. Trotzdem hatte er natürlich recht damit, dass ihr Apartment nicht unbedingt kindgerecht war.
Die Situation verschlimmerte sich noch, als plötzlich ihr Milchfluss versiegte, was Schuldgefühle bei ihr auslöste. Die Hebamme versuchte sie zu beruhigen, indem sie irgendetwas von Stresssituationen sagte und dass sie sich keine Vorwürfe machen sollte, aber das war leichter gesagt als getan. Justina war am Boden zerstört. Sie fühlte sich wie eine Versagerin, nicht nur als Frau, sondern jetzt auch noch als Mutter.
Außerdem vermisste sie Dante wie verrückt. Nachts im Bett konnte sie nicht aufhören, an ihn zu denken, und musste sich immer wieder fragen, ob sie nicht womöglich doch die falsche Entscheidung getroffen hatte. Beim letzten Mal, als die Hebamme dagewesen war, hatte Justina sich größte Mühe geben müssen, nicht zu weinen. Um das zu verhindern, hatte sie ihre zu Fäusten geballten Hände an die Augen gepresst und gerieben, und dabei gar nicht mitbekommen, dass sie damit ihre ganze Wimperntusche verschmierte.
Kurz darauf war Dante auf der Bildfläche erschienen. Er hatte sie erstaunt angestarrt und gefragt: „Was ist passiert? Ist irgendetwas mit Nico?“
„Nein. Ja. Na ja, irgendwie.“ Sie schluckte. „Ich habe … ich habe keine Milch mehr, und die Hebamme sagt, dass ich ihm ab jetzt die Flasche geben muss.“
Sein Blick und seine Stimme wurden für einen Moment sanfter. „Das tut mir leid, Justina.“
„Ja.“ Sie hatte schon fast den Eindruck, dass er gleich die Hand ausstrecken und sie an sich ziehen würde, und sie wünschte sich nichts mehr als das. Sie sehnte sich so schrecklich danach, ihren Kopf an seine Schulter zu legen und zu weinen, bis sie diese grauenhafte innere Leere nicht mehr spüren musste. Sie wollte, dass er sie tröstete und ihr sagte, dass alles gut werden würde. Und diesmal würde sie ihm vielleicht sogar glauben.
Aber er tat nichts dergleichen. Er tätschelte ihr nur kurz den Kopf, als wäre sie der alte Hund der Familie. „Mach dir nichts draus, Babys gedeihen auch mit Fertignahrung“, versicherte er ihr.
„Meinst du wirklich?“
„Ja, klar. Außerdem vereinfacht es auch manches.“
„Vereinfacht?“ Justina stutzte. „Wie meinst du das?“
„Nun, wenn Nico jetzt die Flasche bekommt, kann ich ihn über Nacht mit zu mir nehmen, was für dich ja auch eine Entlastung ist. Und ihm wird es gefallen.“ Er lächelte. „Das Kinderzimmer ist demnächst fertig.“
Es war wirklich beschämend, dass Justina sich nur noch überflüssig und eifersüchtig fühlte. Aber sie war machtlos dagegen.
„Bist du dir wirklich sicher, dass ich dir nicht helfen kann?“, fragte sie. „Mit dem Kinderzimmer, meine ich?“
„Nein, danke“, gab er kühl zurück. „Ich komme allein zurecht.“
Sie rang sich ein Lächeln ab. „Natürlich.“
Jetzt war alles sogar noch schlimmer geworden.
Als Nico die erste Nacht bei Dante verbringen sollte, packte Justina alles ein, was er für seinen Ausflug brauchte. Sie versuchte, ihre Niedergeschlagenheit in den Griff zu bekommen, die sich wie eine schwere Decke über sie gelegt hatte. Außerdem war sie nervös, weil sie mit Dante verabredet hatte, Nico zu ihm bringen, und dafür wollte sie sich nach langer Zeit wieder einmal richtig hübsch machen. Vielleicht würde sie das Kaschmirkleid anziehen, das er noch nicht kannte, dazu ein Paar hohe, aber nicht übertrieben hohe Pumps, und natürlich würde sie ihr Haar offen lassen.
Doch als es wenig später an der Tür läutete, trug sie weder Kaschmirkleid noch Pumps, sondern ausgeleierte Jeans und ein mit Bananenbrei beschmiertes T-Shirt. Nach dem Öffnen stand Dante vor ihr, mit vom Wind zerzaustem Haar und gelockerter Krawatte. Er sah förmlich und gleichzeitig irgendwie leicht derangiert aus – und unverschämt sexy, während sie sich noch nie in ihrem Leben so unansehnlich gefühlt hatte.
„Wir hatten doch verabredet, dass ich ihn dir vorbeibringe“, protestierte sie, während sie sich den feinen Schweißfilm abwischte, der sich plötzlich auf ihrer Stirn gebildet
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