Julia Extra Band 376
schoss nur ein Gedanke durch den Kopf: Warum gehe ich nicht mit?
Wie peinlich ist das denn?
Vanessa fühlte sich elend, als sie an Marcus’ Arm die ersten Schritte ging.
„Jetzt denken Sie vermutlich auch noch, ich hätte ein Alkoholproblem“, sagte sie.
Marcus lächelte, und sofort waren da wieder diese unwiderstehlichen Grübchen. Warum nur war er so … hinreißend?
„Das würde ich nach zehn Drinks denken. Aber Sie hatten ja nur drei, wobei Sie das letzte Glas noch nicht mal ausgetrunken haben. Sind Sie sicher, dass Sie es die Treppe hinauf schaffen? Ich könnte Sie auch tragen.“
Einerseits wäre es demütigend für sie – und andererseits nicht ohne Reiz. „Ich glaube, ich schaffe es nach oben“, sagte sie.
Während sie in der einen Hand ihr Handy hielt, klammerte sie sich mit der anderen an Marcus fest. Dennoch wankte sie etwas, als er sie über die Terrasse führte. „Können wir ums Haus herumgehen, durch den Garten?“
„Weshalb?“
„Es ist mir peinlich, wenn mich jemand in diesem Zustand sieht. Die Dienstboten halten mich ohnehin schon für schrecklich. Sie sollen nicht auch noch denken, ich wäre eine Säuferin.“
„Ist es nicht egal, was sie denken?“
„Bitte“, sagte sie und zog ihn in Richtung Garten. „Ich fühle mich so schrecklich.“
„Das brauchen Sie nicht. Aber wenn es Ihnen so wichtig ist, nehmen wir den Seiteneingang.“
„Vielen Dank.“
Sie war zwar schon nicht mehr so wacklig auf den Beinen, dennoch hielt sie sich vorsichtshalber weiter an seinem Arm fest. Er war groß und kräftig und verlässlich. Neben ihm fühlte sie sich so sicher wie noch nie bei einem Mann.
Sie folgten dem Weg die Rückseite des Palasts entlang zum Ostflügel.
Sie mussten auf halbem Weg zum Seiteneingang sein, als Vanessa hinter ihnen ein Geräusch auf den Steinplatten hörte. Folgte ihnen jemand? Sie ließ Marcus’ Arm los und hielt an, um angestrengt in die Dunkelheit zu spähen.
„Was haben Sie?“, fragte er. „Ist Ihnen schlecht?“
„So betrunken bin ich auch nicht. Ich habe mein Telefon verloren.“
„Wo?“
„Einige Schritte weiter hinten, glaube ich. Jedenfalls habe ich dort ein Geräusch gehört.“
Sie gingen zurück und suchten den Weg sorgfältig ab, ohne es zu finden.
„Vielleicht ist es im Blumenbeet.“ Sie kniete sich hin und tastete zwischen den Pflanzen umher.
Marcus sah skeptisch zu. „Wenn es dort ist, finden wir es niemals in der Dunkelheit.“
„Rufen Sie doch einfach meine Nummer an!“ Vanessa war stolz auf sich, weil sie trotz ihres Zustands solch eine gute Idee hatte.
„Genau.“ Er deutete mit dem Daumen zum Pool. „Ich hole nur eben mein Telefon aus dem Wasser.“
„Oh, das habe ich ganz vergessen. Können Sie sich nicht ein anderes besorgen?“
„Lassen Sie uns morgen weitersuchen.“
„Nein! Das Handy hat mich ein kleines Vermögen gekostet, außerdem ist es für mich überlebenswichtig, mit meinem Terminkalender, meinem gesamten Adressbuch und meiner Musik.“
Marcus stöhnte auf. „Ich hole ein Telefon, warten Sie hier.“
„Ich bewege mich nicht vom Fleck.“ Damit setzte sie sich mit gekreuzten Beinen auf den Weg. Die Platten waren noch warm von der Sonne.
Marcus lächelte. Sie sah ihm nach, bis er hinter den Büschen verschwunden war.
Während Vanessa dasaß, lauschte sie auf die Geräusche der Nacht, die singenden Zikaden und die in einer leichten Brise raschelnden Blätter. Sie hätte schwören können, dass sie auch das entfernte Rauschen des Meeres hören konnte.
Nachdem sie einige Minuten gewartet hatte, wurden ihr die Steinplatten doch zu hart. Sie wechselte auf das kühle weiche Gras und ließ sich auf den Rücken fallen. Die Nacht war kristallklar, am Himmel standen der Halbmond und Millionen Sterne.
In Los Angeles sah man die Sterne höchstens, wenn man in die Berge fuhr. Mit Mias Vater war sie oft im Pritschenwagen hochgefahren, und sie hatten auf der Ladefläche geschlafen. Das heißt, sie hatten sich geliebt, die Sterne betrachtet und sich wieder geliebt. Vermutlich verdankte Mia ihr Leben einer solchen Nacht auf der Ladefläche. Leider endete auch ihre Liebe zu Paul wie alle anderen Beziehungen. Als er verschwand, hinterließ er ihr nur einen Brief. Er hatte noch nicht einmal den Mut, ihr ins Gesicht zu sagen, dass er sich noch nicht bereit fühlte für ein Kind.
Sie lag auf dem Rasen. Ob Gabriel wohl je mit seiner Frau auf dem Rasen gelegen hatte, um den Himmel zu betrachten? Oder ob sie je im
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