Julia Extra Band 376
Regen umhergehüpft waren und Regentropfen mit dem Mund aufgefangen hatten? Oder Schneeflocken? Ob Gabriel einmal mit Marcus einen Schneemann gebaut hatte? Hatten sie jemals eine Schneeballschlacht ausgetragen? Und konnte sie glücklich werden an der Seite eines Mannes, der nicht wusste, wie er sich entspannen und Spaß haben konnte? Der nie etwas Albernes tat? Würde Mia mit ihm nicht so vieles versäumen, was für Kinder wichtig war?
Oder machte sie sich völlig unnötige Sorgen?
Wer hatte noch gesagt, sie wäre mutig?
Ihre Grübeleien hielten sie gefangen, bis Schritte sie aufschreckten. Marcus blieb neben ihr stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Geht es Ihnen gut?“
Sie lächelte ihm zu. „Es ist eine wunderbare Nacht. Ich schaue mir die Sterne an.“
Er sah zum Himmel, dann zu ihr zurück. „Und Sie sind nicht hingefallen?“
Sie schlug nach ihm, aber er sprang grinsend zur Seite.
„Möchten Sie mir nicht Gesellschaft leisten?“, fragte sie. „Oder dürfen Sie das nicht?“
„Warum sollte ich nicht?“
„Weil es sich für ein Mitglied der königlichen Familie vielleicht nicht gehört.“
„Ich werde bei Gelegenheit nachfragen.“
„Machen Sie das.“
„Was dagegen, wenn ich es schon mal ausprobiere?“ Er legte sich zu ihr, so nah, dass ihre Arme sich berührten. Es fühlte sich angenehm an. Sehr angenehm. Aufregend, aber auch beängstigend. Zu gern hätte sie ihre Finger mit seinen verschränkt.
Aber das kam gar nicht infrage.
„Sie haben recht“, meinte er, den Blick nach oben gerichtet. „Die Sterne sind wunderschön.“
Sie sah zu ihm. „Sie halten mich für verrückt, oder?“
„Nicht wirklich verrückt. Aber ich kann mit Bestimmtheit sagen, noch nie jemanden wie Sie getroffen zu haben.“
„Ich weiß nicht, ob ich mich als Königin eigne. Jedenfalls könnte ich nicht auf das hier verzichten.“
„Im Gras zu liegen?“
Sie nickte.
„Wer sagt, dass Sie verzichten müssten?“
„Ich weiß einfach nicht, was sich schickt und was nicht. Wenn ich Gabriel heiraten sollte, könnte ich dann noch einen Schneemann bauen?“
„Soweit ich weiß, spricht nichts dagegen.“
„Kann ich den Regen und den Schnee mit dem Mund auffangen?“
„Sie sollten es zumindest versuchen.“
„Darf ich barfuß im Sand laufen und mit Mia im Matsch spielen?“
„Wir sind keineswegs so steif und zugeknöpft, dass wir uns gar nicht amüsieren würden. Wenn wir nicht gerade im Licht der Öffentlichkeit stehen, ist unser Leben eigentlich recht normal.“
Aber was für ihn normal war, war es für sie noch lange nicht. „Es kam alles so plötzlich. Ich weiß einfach nicht, worauf ich mich eingelassen habe.“
„Sie müssen sich nicht ändern, nur weil Sie meinen Vater heiraten. Es gibt natürlich einige Regeln und ein gewisses Protokoll, dem wir folgen müssen. Aber das lernen Sie schon.“
Das hätte Gabriel ihr erklären sollen, nicht Marcus. Sie sollte jetzt mit Gabriel zusammen sein, nicht mit Marcus. Und statt Gabriel lernte sie Marcus immer besser kennen. Sie fühlte sich immer wohler an seiner Seite. Bei ihm konnte sie einfach sie selbst sein.
Morgen werde ich wieder klar sehen. Sie würde mit Gabriel sprechen und dabei merken, wie wichtig er ihr war, und wie sehr sie ihn vermisste. Und Marcus und sie würden einfach Freunde sein.
„Ich habe nachgedacht“, meinte Marcus. „Sie sollten Ihren Vater anrufen, um ihm zu sagen, wo Sie sind.“
Sein Vorschlag verwirrte sie. „Warum sollte ich? Nur damit er mir wieder vorhalten kann, ich würde einen dummen Fehler begehen?“
„Glauben Sie denn, einen Fehler zu begehen?“
„Nein, hierhergekommen zu sein, war bestimmt kein Fehler. Denn selbst wenn es am Ende nicht klappt, habe ich doch ein neues Land kennengelernt, neue Leute getroffen und neue Erfahrungen gemacht. Ich habe in einem Palast gewohnt und Zeit mit einem Prinzen verbracht.“
„Dann ist es doch egal, was Ihr Vater denkt. Wenn er Sie und Ihre Entscheidungen respektieren soll, dann müssen Sie zuallererst sich selbst vertrauen.“
„Da könnten Sie recht haben. Sprechen Sie aus Erfahrung?“
„Ich soll dieses Land einmal führen. Daher muss ich die Menschen überzeugen, dass ich mir und meinen Fähigkeiten vertraue. Nur dann können auch sie mir vertrauen.“
„Und Sie vertrauen Ihren Fähigkeiten?“
„Meistens. An manchen Tagen jedoch habe ich furchtbare Angst vor so viel Verantwortung. Aber einen guten Staatsmann zeichnet es aus, Aufgaben auch
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