Julia Extra Band 376
ersten Mal in ihrem Leben hatte sie keinerlei Zweifel und keine Angst davor, das Ganze könnte ein Fehler sein.
Sie konnte nur hoffen, dass es ihm genauso ging. Auf jeden Fall wollte auch er nicht, dass sie abreiste. Aber liebte er sie? Zumindest hatte er es ihr noch nicht gesagt. Aber das hatte sie auch nicht. Was bedeuteten schon Worte? Auch wenn er sie lieben sollte, war sein Verhältnis zu seinem Vater wichtiger als alles andere.
Nachdem sie und Marcus sich das erste Mal geliebt hatten, war ihr ganz unbehaglich gewesen beim Gedanken, wenig später mit Gabriel zu skypen. Würde er es ihr nicht sofort ansehen? Zur verabredeten Zeit wartete sie dann allerdings eine Stunde vergebens vor dem Computer. Erst am folgenden Tag hatte Gabriel sie angerufen, sich entschuldigt und von Sicherheitsproblemen gesprochen. Sie sollten besser nicht mehr skypen, sondern nur noch telefonieren. Wenngleich Vanessa das entgegenkam, spürte sie, wie zwischen ihnen eine gewisse Distanz entstand.
Ihre Gespräche wurden kürzer und oberflächlicher, und Vanessa wartete nur darauf, dass er irgendwann einmal fragen würde, ob etwas geschehen wäre. Aber selbst wenn ihm aufgefallen war, wie sich ihr Verhältnis zueinander veränderte, sagte er nichts. Trina ging es immer besser, und obwohl sie noch schwach war, schien es doch nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Gabriel zurückkommen würde.
Aber Gabriel war nicht ihr einziges Problem. Da war auch noch ihr Vater, mit dem sie endlich offen reden musste.
„Du scheinst dir Sorgen zu machen“, sagte Marcus und strich ihr die Haare hinters Ohr.
„Mein Vater hat angerufen.“
„Ich verstehe.“
„Er hat im Hotel nachgefragt und herausgefunden, dass ich Urlaub genommen habe. Und sofort geht er davon aus, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Ich soll ihn sofort anrufen.“
„Das hättest du schon vor Tagen tun sollen.“
„Ich weiß.“ Sie seufzte und schmiegte sich an Marcus, presste ihr Ohr gegen seine Brust, um sein Herz schlagen zu hören.
„Dann mach es doch einfach jetzt.“
„Ich will aber nicht.“
„Sei kein Feigling. Ruf ihn an.“
Sie setzte sich auf und sah Marcus an. „Aber ich bin ein Feigling.“
„Ruf ihn an“, sagte Marcus und stand auf, um ins Bad zu gehen. Er sah umwerfend aus in seiner Nacktheit. An der Tür drehte er sich um und grinste sie an. „Ich werde jetzt duschen, und wenn du mir dabei noch Gesellschaft leisten willst, dann solltest du besser schnell dein Telefon zur Hand nehmen.“
Die Tür fiel hinter ihm zu, und Vanessa hörte, wie das Wasser rauschte. Sie verfluchte Marcus. Er wusste ganz genau, wie sehr sie die morgendliche Dusche mit ihm genoss. Am Abend zuvor hatte er wie jeden Tag frische Kleidung aus seinem Zimmer geholt, damit ihn niemand in den Sachen vom Vortag sah. Bei der Gelegenheit hatte er sich auch in seinem Bett herumgewälzt und die Laken zerwühlt, damit es so aussah, als habe er dort geschlafen. Natürlich konnten sie nicht verheimlichen, wie viel Zeit sie miteinander verbrachten. Aber zumindest konnten sie versuchen, zu verschleiern, wie nahe sie einander schon gekommen waren.
Vanessa sah zur Tür des Badezimmers, dann auf ihr Handy. Es musste wohl sein.
Sie richtete sich auf, griff sich das Telefon und wählte die Nummer ihres Vaters. Schon nach dem ersten Klingeln antwortete er. „Nessy, wo zum Teufel bist du? Ich mache mir furchtbare Sorgen. Wo ist Mia? Geht es ihr gut?“
Vanessa atmete tief durch. „Entschuldige Dad, ich hätte dich schon früher angerufen, aber ich bin im Ausland.“
„Im Ausland?“, bellte er, als ob das ein unverzeihliches Verbrechen wäre. „Warum hast du nichts davon gesagt? Wo ist meine Enkelin?“
„Hier bei mir.“
„Und wo bist du?“ Er klang nur deshalb zornig, weil er besorgt war. Außerdem hasste er es, wenn er nicht alles unter Kontrolle hatte. Normalerweise fühlte sie sich wieder wie ein Kind, wenn er so mit ihr sprach.
„Ich bin in Varieo, du weißt, dieser Kleinstaat bei …“
„Ich weiß, wo Varieo ist. Was in Gottes Namen machst du dort?“
„Es hat etwas mit der Arbeit zu tun.“ Schließlich hatte sie Gabriel bei der Arbeit kennengelernt.
„Ich dachte, du hättest Urlaub genommen? Oder hieß das im Klartext, du wurdest gefeuert?“
Natürlich konnte er sich nur so etwas vorstellen.
Sie wurde immer ärgerlicher. „Nein, ich wurde nicht gefeuert!“, gab sie knapp zurück.
„Nicht in diesem Ton, junge Dame“, blaffte er.
Junge Dame? War sie etwa
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