Julia Extra Band 376
fünf?
Sie hatte genug davon, wie ein unmündiges Kind behandelt zu werden. Und wenn sie ihn enttäuschen musste, um sich gegen ihn zu behaupten, dann musste es eben sein. „Ich bin erwachsen, Dad. Ich rede verdammt noch mal so, wie es mir passt. Und ich kann es nicht mehr ertragen, wenn du so herablassend mit mir sprichst. Ich bin intelligent, erfolgreich und stark. Und ich habe Freunde, die mich respektieren. Wenn du mir also nicht ein einziges Mal etwas Nettes sagen willst, dann brauchst du nicht wieder anzurufen.“
Sie legte auf, und obwohl ihr das Herz klopfte und ihre Hände zitterten, fühlte sie sich … gut. Eigentlich fühlte sie sich sogar verdammt fantastisch. Vielleicht hatte Marcus recht. Vielleicht war sie wirklich mutig.
Ihr Telefon klingelte. Erschrocken fuhr sie zusammen. Ihr Vater. Sie überlegte, die Mailbox rangehen zu lassen, aber jetzt hatte sie es mit ihm aufgenommen, also musste sie es auch zu Ende führen.
Innerlich bereitete sie sich schon mal darauf vor, angebrüllt zu werden. „Hallo.“
„Es tut mir leid.“
Ihr fiel das Kinn herunter. „Wie bitte?“
„Es tut mir leid“, wiederholte er. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er sich überhaupt schon einmal für irgendetwas bei ihr entschuldigt hatte.
„Und mir tut es leid, dich so angefahren zu haben“, sagte sie, ehe ihr bewusst wurde, nichts Falsches getan zu haben. „Nein, eigentlich tut es mir nicht leid. Du hast es verdient.“
„Du hast recht. Aber als ich nichts von dir gehört habe, hatte ich Angst, dir wäre etwas passiert.“
„Mir geht es gut. Und Mia geht es auch gut. Es tut mir leid, wenn du dir wegen mir Sorgen gemacht hast. Wir besuchen hier … Freunde.“
„Ich wusste nicht, dass du dort Freunde hast.“
„Ich habe ihn im Hotel kennengelernt. Ein Gast.“
„Ihn?“
„Ja, er ist …“ Warum zum Teufel sollte sie ihrem Vater nicht einfach die Wahrheit erzählen? Da es ihr ohnehin gerade egal war, was er von ihr dachte. „Er ist der König.“
„Der König?“
„Ja! Und ob du es glaubst oder nicht, er will mich heiraten.“
„Du heiratest? Einen König?“ Ihr Vater schien tatsächlich ganz aufgeregt zu sein.
„Er hat mir einen Antrag gemacht. Aber ich werde nicht Ja sagen.“
„Warum nicht?“
„Weil ich einen anderen liebe.“
„Einen anderen König?“, versuchte ihr Vater es mit einem Witz.
„Nein.“
„Wen denn dann?“
„Den Prinzen, seinen Sohn.“
„Vanessa!“
Sie bereitete sich auf einen Tobsuchtsanfall vor, auf Schreie und Vorwürfe. Doch es kam nichts. Sie konnte auch durchs Telefon spüren, wie angespannt ihr Vater war. Dennoch blieb er ruhig. „Alles in Ordnung, Dad?“
„Ich bin nur etwas durcheinander. Wann konnte all das geschehen? Und wie?“
„Wie gesagt, er war als Gast im Hotel. Wo wir uns angefreundet haben.“
„Der König oder der Prinz?“
„Der König. Gabriel. Er hat sich in mich verliebt. Und irgendwie liebe ich ihn auch – wie einen Freund. Aber er war überzeugt, dass ich mich noch richtig in ihn verlieben würde, sobald ich ihn erst besser kennenlerne. Daher hat er mich in seinen Palast eingeladen. Doch dann musste er kurz vor meiner Ankunft fort und bat darum Marcus, den Prinzen, mir Gesellschaft zu leisten. Und Marcus und ich, nun ja, wir haben uns verliebt. So richtig.“
„Wie alt ist dieser Prinz?“
„Achtundzwanzig, glaube ich.“
„Und der König?“
„Sechsundfünfzig“, sagte sie. „Was einer der Gründe ist, warum ich mir nicht sicher war.“
„Ich verstehe.“ Mehr sagte er nicht, obwohl sie wusste, dass ihm noch mehr auf der Zunge brannte.
Wahrscheinlich hätte Vanessa ihm schon vor Jahren einmal die Meinung sagen sollen. Auch wenn es fraglich war, ob er ihr da schon zugehört hätte. Vielleicht war auch sie selbst einfach noch nicht bereit dafür gewesen.
„Dann wirst du also den Prinzen heiraten?“
„Ich werde niemanden heiraten.“
„Ich dachte, du liebst ihn.“
„Ja, ich liebe ihn, aber ich könnte Gabriel das niemals antun. Er ist ein guter Mensch und hat so viel durchgemacht. Ich fühle mich schrecklich wegen dem, was geschehen ist. Als hätte ich ihn verraten. Außerdem würde es unweigerlich das Verhältnis zwischen ihm und Marcus zerstören.“
Ihr Vater schwieg einige Augenblicke. „In den letzten Wochen scheint ja ganz schön viel passiert zu sein.“
Er klang einfach überrascht, nicht vorwurfsvoll wie sonst oft. Vanessa musste lächeln. Sie war gleichzeitig glücklich und
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