Julia Extra Band 376
Normalerweise liebte er diese Aussicht. Das Gefühl der Zugehörigkeit war ihm immer tröstlich gewesen.
Heute nicht. Heute fühlte er sich nur schrecklich allein.
Ein Leben ohne Luisa. Unvorstellbar. Tiefe, schwarze Verzweiflung umfing ihn bei dem Gedanken, sie nie mehr wiederzusehen. Sie nie mehr in den Armen zu halten.
Ihr nie zu sagen, was er für sie empfand.
Nein, er konnte es nicht zulassen. Entschlossen nahm er das Dokument vom Schreibtisch und ging zur Tür.
Luisa wachte langsam auf, wollte ihren überraschend angenehmen Traum nur zögernd loslassen.
Nach dem aufwühlenden Gespräch mit Raul hatte sie lange gebraucht, um zur Ruhe zu kommen. Erschöpft war sie schließlich eingeschlafen. Nun aber fühlte sie sich warm, sicher und geborgen. Sie wollte nicht aufstehen.
Doch leider hatte sie keine Wahl. Von heftiger Übelkeit gepackt, versuchte sie, sich hinzusetzen. Erst da begriff sie, wer neben ihr lag und sie in den Armen hielt.
„Raul!“ Was tat er hier? Und wann war er zu ihr ins Bett gekommen?
Sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Luisa zerrte seine Arme weg und sprang aus dem Bett.
„Luisa? Was ist los?“, rief er ihr hinterher.
Doch sie war schon im Bad verschwunden, wo sie vor der Toilette in die Knie ging und sich heftig übergab. Im nächsten Moment umfing Raul sie von hinten und stützte sie.
Erschöpft lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Raul tupfte ihr behutsam mit einem feuchten Tuch die Stirn und die Wangen ab und hielt ihr ein Glas an die Lippen.
Dankbar trank Luisa einen Schluck kühles Wasser. Sie seufzte erleichtert, als er ihr erneut das Gesicht abtupfte. Lieber Himmel, wie sollte sie ihn jetzt ansehen? Warum war er überhaupt hier? Von Selbstmitleid überwältigt, blinzelte sie gegen Tränen an.
„Du bist krank. Ich rufe einen Arzt“, hörte sie Raul sagen.
Erschrocken blickte sie auf. „Nein, ich bin nicht krank. Das ist völlig normal. Ein Arzt kann auch nichts daran ändern.“
Zu spät wurde ihr bewusst, was sie da gesagt hatte. Raul blickte sie fassungslos an.
Sie hatte es ihm ja bald sagen wollen. Aber nicht so.
„Bitte, ich möchte mich frisch machen“, bat sie rasch. „Lass mich allein.“
Wortlos verließ er das Bad. Doch anstatt froh darüber zu sein, war sie traurig, weil er sich so leicht fortschicken ließ. So viel zu ihrem Traum von einer heilen Familie.
Sie ließ sich ganz bewusst viel Zeit im Bad, aber als sie herauskam, war Raul immer noch da. Ehe sie sich’s versah, hob er sie auf die Arme.
„Ich kann gehen“, protestierte sie halbherzig. Auch wenn es nichts bedeutete, fühlte es sich himmlisch an. Die Fürsorge für seine schwangere Frau war für seinen pflichtbewussten Charakter vermutlich ganz selbstverständlich.
Behutsam setzte er sie ins Bett und schob ihr mehrere Kissen in den Rücken, bevor er sorgsam die Bettdecke über ihre Beine ausbreitete.
„Ich bin doch nicht krank“, wehrte sie ab, aber es war ein wundervolles Gefühl, so umsorgt zu werden.
Raul setzte sich zu ihr aufs Bett und sah sie an. „Du bist schwanger.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
„Ich glaube es zumindest“, räumte sie befangen ein. „Und wenn es so ist, ist es natürlich von dir.“
„Nichts anderes wäre mir in den Sinn gekommen. Du würdest mich nie hinter meinem Rücken betrügen. Denn du bist ehrlich, aufrichtig und sensibel. Zu so einem Verrat wärst du niemals fähig.“
Worte, die ihr das Herz wärmten. Welch ein Vertrauensbeweis, nachdem er so tief enttäuscht und verletzt worden war. „Ich hätte gedacht, dass du nach Ana …“
„Vergiss Ana. Ich war jung und so dumm, mir einzubilden, ich würde sie lieben. Im Grunde bin ich schon seit Jahren darüber hinweg. Hier geht es um dich und mich, und um niemanden sonst.“
Sie zweifelte nicht einen Moment an seiner Zusicherung, dass Ana ihm nichts mehr bedeutete. Es war, als würde ihr eine große Last von der Seele genommen.
„Luisa.“ Raul sah sie eindringlich an. „Ich will, dass du bleibst. Hier bei mir. Bitte, geh nicht nach Sydney.“
Er glaubte an sie! Er wollte sie!
Ihre überschwängliche Freude erstickte im Keim, als sie begriff, warum. Vergeblich versuchte sie, ihm die Hand zu entziehen. „Das ist doch nur wegen des Babys! Du willst deinen Erben behalten!“ Deshalb wollte er nicht, dass sie nach Australien reiste … es ging um den Fortbestand des Fürstenhauses. Wie hatte sie nur etwas anderes denken können? Sie hatte doch am eigenen Leib
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