Julia Extra Band 376
zum Bleiben zu überreden.
„Vielleicht wäre es besser …“
Luisa verstummte, weil sein Handy klingelte. Ungeduldig griff Raul in die Tasche und schaltete es einfach aus.
„Aber das war deine Privatleitung. Bestimmt ist es wichtig.“
Er ging zu ihr. „Das hier ist wichtig.“
Im nächsten Moment läutete es auf Luisas Festnetzanschluss. Ehe Raul sie daran hindern konnte, griff sie nach dem Hörer, scheinbar froh über die Unterbrechung.
„Es ist für dich. Der Rechtsbeistand der Regierung will dich dringend sprechen.“
Raul zögerte. Eigentlich war es wichtig, die Sache mit Luisa zu klären. Andererseits würde die Angelegenheit, auf die er die Juristen angesetzt hatte, ihm vielleicht sogar bei einer Lösung helfen. Und er war verzweifelt genug, nach jedem Strohhalm zu greifen. Also nahm er den Telefonhörer.
Luisa beobachtete, wie Raul aufmerksam den Ausführungen des Juristen am anderen Ende der Leitung lauschte. Konnte es einen besseren Beweis geben? Seine Prioritäten standen fest. Als seine Ehefrau rangierte sie ganz unten.
Als er sie so unerwartet wegen ihrer geplanten Australienreise zur Rede stellte, hatte sie halb befürchtet, halb gehofft, er würde erklären, sie könne nicht gehen, müsse bleiben … nicht zum Wohle des Staates, sondern weil er es nicht ertragen könnte, ohne sie zu sein. Sie hatte sich ausgemalt, wie er sie in die Arme nehmen und an sich pressen würde. Weil er sie genauso sehr liebte wie sie ihn und sie nie wieder loslassen wollte.
Die Wirklichkeit sah leider anders aus.
„Ich muss mich da um etwas kümmern.“
Sie nickte müde. Es würde immer Wichtigeres geben als ihre Ehe. Unglücklich überlegte sie, ob sie nicht vielleicht besser fortgehen und nie wieder zurückkommen sollte.
„Luisa? Hast du gehört, was ich gesagt habe?“
„Wie bitte?“ Sie blickte auf und stellte fest, dass Raul bereits an der Tür stand.
„Ich sagte, wir müssen noch darüber sprechen. Ich komme so schnell wie möglich wieder.“
Sie nickte nur. Das Herz tat ihr so weh, dass sie glaubte, es würde zerspringen. Soeben hatte sich ihre letzte Hoffnung auf eine richtige Ehe zerschlagen.
12. KAPITEL
„Vielen Dank Ihnen allen.“ Raul nickte den Richtern des Obersten Gerichts, dem Justizminister und den anderen Zeugen zu, die vor zwei Stunden auf seine Anordnung hin zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengerufen worden waren, um einem für Monteregio geschichtsträchtigen Ereignis beizuwohnen.
Unter anderen Umständen wäre er begeistert gewesen, eine so wichtige Veränderung für sein Land angestoßen zu haben. Jetzt aber wartete er nur ungeduldig, dass alle Anwesenden endlich gingen und ihn allein ließen.
Allein. Er sah Luisa vor sich, blass und angespannt, wie sie wenige Stunden zuvor davon gesprochen hatte, dass sie Abstand brauchte. Wie tief hatte er sie anscheinend doch verletzt, als er sie gezwungen hatte, sein Leben zu teilen.
Tat er jetzt das Richtige, indem er sie noch fester an sich band? Sein Blick fiel auf das offizielle Dokument auf seinem Schreibtisch, unterzeichnet, besiegelt und bezeugt. Er hatte es schon vor Langem als Überraschung für Luisa geplant, als Beweis seiner Achtung. Nur war es seine letzte Hoffnung, sie doch noch überzeugen zu können, bei ihm zu bleiben.
Hatte er aber das Recht, sie festzuhalten, wenn das Leben an seiner Seite sie so offensichtlich unglücklich machte? Bis heute hatte er sich eingebildet, sie sei zufrieden, vielleicht sogar glücklich. War er dazu verdammt, niemals jene emotionale Nähe zu finden, von der Luisa so sehnsüchtig gesprochen hatte? War er vielleicht einfach nicht der Richtige, um sie glücklich zu machen?
Ein stechender Schmerz fuhr ihm wie ein Dolch mitten ins Herz bei der Vorstellung, sie gehen zu lassen. Heillose Panik packte ihn bei dem Gedanken an ein Leben ohne sie.
Aber wer konnte es ihr verübeln? Da er selbst nie echte Liebe erfahren hatte, war er zweifellos unfähig, ihr als Ehemann das zu geben, was sie brauchte.
Es wäre anders, wenn sie wirklich bei ihm sein wollte. Zusammen konnten sie alle Probleme meistern. Wenn er ihr nur etwas bedeuten würde …
Raul lachte laut in die Stille. Wie sollte er ihr etwas bedeuten nach allem, was er ihr angetan hatte? Er hatte sich nur eingeredet, in den vergangenen Wochen hätte sich ihre Beziehung entwickelt. Wie sie sich wenige Stunden zuvor in ihrer Suite von ihm abgewandt hatte, besagte doch alles.
Er ging zum Fenster und blickte auf die Lichter der Stadt.
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