Julia Festival 94
würde in diesem Fall keine Dummheiten hinnehmen. Als dein Vater weiß ich, was am besten für dich ist.“
„Ja, Daddy“, flüsterte Ione.
„Möchtest du nicht einmal wissen, wen du heiraten wirst?“, spottete Minos, der sich an Iones Unterwürfigkeit weidete.
„Wenn du es mir sagen möchtest …“
„Alexio Christoulakis.“
Iones Beine drohten zu versagen. Sie sah ihren Vater entsetzt an und erschrak, denn sein Blick war kalt und zynisch. „Alexio … Christoulakis?“
Ausgerechnet Alexio … der bekannteste Playboy von ganz Griechenland, die Nummer eins im Geschäftsleben und in den Spalten der Klatschpresse. Der Mann, dessen Verlobte bei Mondschein gebadet hatte und ertrunken war. Der Mann, der nicht gern in seidener Bettwäsche schlief und Ione gezwungen hatte, die Wäsche zu wechseln, obwohl es fast schon Morgen war. Der Mann, der sie wie ein Dienstmädchen behandelt und sonst kaum beachtet hatte. Der Mann, der zu schön war, um ihn nicht immer wieder heimlich anzusehen …
„Es wundert mich nicht, dass du dein zukünftiges Glück nicht zu schätzen weißt“, stellte Minos abfällig fest. „Erwarte aber bitte keine Treue von deinem zukünftigen Mann. Wir schließen einen Vertrag mit ihm. Er rückt an den Platz, den dein Bruder leer gelassen hat, und wird dann zu unserer Familie gehören.“
Jedes einzelne Wort traf Ione wie ein Schlag. Minos stellte die Fakten fest. Die Aufgabe seiner Tochter bestand lediglich darin, „Gakis Holdings“ einen Nachfolger zu beschaffen.
„Alexio besitzt Verstand, Kühnheit und Überzeugungskraft. Es war nicht leicht, ihn für diesen Handel zu gewinnen. Aber ich brauche ihn. Wenn er morgen auf die Insel kommt, wirst du alles tun, um ihn zufrieden zu stellen. Ist das klar?“
Ione nickte. „Ja, Daddy.“
„Auch als seine Frau wirst du an erster Stelle mir verantwortlich sein“, fuhr Minos fort. „Er darf nicht erfahren, dass du nur meine Adoptivtochter bist, denn die Christoulakis’ legen großen Wert auf Familientradition. Wir werden sie weder durch deine illegitime Geburt noch durch die Tatsache verletzen, dass du eine Zwillingsschwester hast, die wenig mehr als ein Flittchen ist. Ich erwarte, dass du nie wieder mit ihr in Verbindung trittst. Ist das ebenfalls klar?“
Widerwillen und Zorn erfassten Ione und wurden nur durch ihre zunehmende Verzweiflung verdrängt. Sie sah ihre Zukunft deutlich vor sich – eine Zukunft, die so begrenzt und leer sein würde wie die Gegenwart.
Sie sollte einen Fremden heiraten und im Sinn ihres Vaters lenken. Ihre Lebenslüge musste aufrechterhalten werden, denn für einen vitalen Mann wie Minos Gakis wäre es ehrenrührig gewesen, seine Tochter adoptiert und nicht selbst gezeugt zu haben. Und um ja nichts auszulassen, machte er noch ihre Schwester schlecht, die er nie gesehen hatte. Das alles war zu viel für Ione. Die Stimme versagte ihr, und sie wandte sich ab.
„Antworte mir!“, fuhr ihr Vater sie an.
„Ja, Daddy. Ich habe dich verstanden.“
Sobald Ione entlassen war, suchte sie den Fitnessraum auf. Nachdem sie sich umgezogen hatte, begann sie ein erschöpfendes Trainingsprogramm, um sich von ihrer inneren Spannung zu befreien. Sie übertrieb dabei so sehr, dass sie am Ende zitternd auf die Matte sank und nur noch vor sich hin starren konnte.
In diesem Moment, als sie am wenigsten damit gerechnet hatte, kam Ione die rettende Erleuchtung. Sie begriff plötzlich, warum die Ankündigung ihres Vaters Grund zu Freude und neuer Hoffnung war.
Der Augenblick, in dem sie Lexos an der Seite ihres jungen Ehemannes verließ, würde der Augenblick ihrer Befreiung sein. Ione warf ihr blondes Haar zurück und lachte so laut, dass es von den Wänden des kahlen Raums widerhallte. Alexio Christoulakis kam nicht als neuer Kerkermeister, sondern als Freiheitsheld!
Ione hatte nicht die Absicht, einen brutalen Mann gegen den andern einzutauschen. Allerdings war es notwendig, dass die Heirat wirklich stattfand. Nicht einmal ihr Vater würde argwöhnen, dass sie imstande war, ihren Ehemann unmittelbar nach der Hochzeit zu verlassen. Schon gar nicht einen Mann wie Alexio Christoulakis, von dem angeblich jedes Schulmädchen heimlich ein Bild besaß.
Ione streckte sich auf der Matte aus und sah träumerisch zur Decke hinauf. Sobald sie in England war, würde sie nach ihrer Schwester forschen. Seit sie Mistys Brief erhalten hatte, waren zwar vier Jahre vergangen, aber ihre Anschrift würde sie bis an ihr Lebensende nicht
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