Julia Festival 94
Führung übernahm.
Obwohl sich Ione in der Loggia unwohl fühlte, hätte sie womöglich widersprochen, wenn Alexio nicht aufgestanden wäre. Er wirkte dadurch so groß und einschüchternd, dass sie kurz nickte und sich ebenfalls erhob.
Ein unangenehmer Verdacht stieg in Alexio auf, während er Ione ins Wohnzimmer folgte. Ihr schwebender Gang wirkte sinnlich und aufreizend, fast schien es, als würde sie dahingleiten, ohne den Boden zu berühren. War sie vielleicht eine raffinierte Verführerin, die verheiratet werden musste, bevor es zu einem öffentlichen Skandal kam?
Wenn das stimmte, setzte Minos Gakis seine Milliarden ein, um etwaige Gerüchte niederzuhalten, doch selbst er konnte nicht hoffen, eine solche Schande für immer zu verbergen. Iones bescheidenes Auftreten, die ständigen Anspielungen auf ihre Schüchternheit und dass sie fern von allen schlechten Einflüssen erzogen worden sei, dienten womöglich nur dazu, ihn das sehen zu lassen, was er sehen sollte. Wie konnte er sich Gewissheit darüber verschaffen? Wie konnte er verhindern, dass er eine Nymphomanin heiratete, die den Namen Christoulakis zum allgemeinen Gespött machen würde?
„Für Ihren Vater ist die Hochzeit schon beschlossene Sache“, begann er das Gespräch. „Dabei hatte ich ihm ausdrücklich gesagt, dass ich erst Ihre Meinung hören müsste.“
Ione antwortete nicht gleich. Sie entnahm diesen Worten, dass Alexio noch nicht völlig für den Plan gewonnen war, und das steigerte ihre Nervosität. „Das ist typisch für meinen Vater“, sagte sie schließlich mit beinahe naiver Offenheit. „Er ist ungeduldig und lässt sich seine Pläne nicht gern durchkreuzen.“
„Geht uns das nicht allen so?“ Alexio legte Ione eine Hand auf den Rücken und führte sie zu der breiten Eckcouch am Fenster. Die Berührung irritierte sie noch mehr als seine Nähe. Seine Hand schien sich durch den dünnen Kleiderstoff in ihre Haut einzubrennen. „Übrigens muss ich gestehen, dass Sie mich verwirren. Ich weiß nicht, wo ich Sie einordnen soll.“
Iones Nervosität wuchs. Was wollte Alexio damit sagen? Argwöhnte er, dass ihre Koketterie nur gespielt war? Das durfte sie eigentlich nicht wundern. Einen Mann, der mit so vielen Frauen geschlafen hatte, über ihren wahren Charakter zu täuschen, überstieg ihre schauspielerischen Fähigkeiten.
„Sie kennen mich nicht“, sagte sie und achtete beim Hinsetzen darauf, dass der Rock ihr Knie wieder bedeckte. „Aber glauben Sie mir, ich kann genauso sein, wie Sie es wünschen.“
Mit einer so direkten Antwort hatte Alexio nicht gerechnet. Er betrachtete Ione schweigend, sodass sie nach einer Verlegenheitspause hinzufügte: „Dazu müsste ich allerdings erst wissen, was Sie sich wünschen.“
„Was ich mir wünsche? Von Ihnen?“ Alexio beobachtete Ione mit wachsender Faszination. Sie hielt die Lider gesenkt, aber die Angst in ihren schönen grünen Augen war ihm nicht entgangen. Was fürchtete sie? Warum gelang es ihr nicht, sich zu entspannen?
„Ich muss wissen, was Sie wollen“, beharrte Ione. „Vielleicht möchten Sie, dass ich mich nach der Hochzeit aus Ihrem Leben heraushalte? Einverstanden. Sie brauchen keine Einmischung von mir zu fürchten. Ich bin ein praktisch veranlagter Mensch … dazu leise und unauffällig. Sie werden mich kaum bemerken. Sobald ich Ihre Wünsche kenne, wird alles zu Ihrer Zufriedenheit ablaufen.“
Alexio fühlte Zorn und Mitleid in sich aufsteigen. Der Zorn galt Iones Vater, in dessen Auftrag sie diese Versicherungen abgab, und das Mitleid ihr selbst, weil sie glaubte, sich so vor ihm demütigen zu müssen.
„Ich habe nur eine Frage“, erklärte er rundheraus. „Ist es auch Ihr Wunsch, mich zu heiraten?“
Ione schwieg und presste die Lippen fest aufeinander. Alexio stellte die natürlichste Frage von der Welt. Eine Frage, die sie hätte erwarten müssen, und doch fiel ihr die Antwort so ungeheuer schwer.
Ione war von Natur aus keine Lügnerin. Sie hob die Lider und sah Alexio direkt in die dunklen Augen, deren Blick fragend auf sie gerichtet war. Der sinnliche Ausdruck dieser Augen ließ ihr den Atem stocken. Eine erregende Wärme durchflutete ihren Körper und ließ ihre Brüste schwellen. Sie wusste, dass es gefährlich war, dem Blick dieser Augen standzuhalten, aber sie konnte sich ihm nicht entziehen.
Alexio beugte sich vor. „Ich kenne die starke Persönlichkeit Ihres Vaters. Wenn Sie sich in irgendeiner Weise gedrängt fühlen …“
„Oh nein!“,
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