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Julia Festival 94

Julia Festival 94

Titel: Julia Festival 94 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Graham
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der stärkste Charakter nicht aus.
    Kein Wunder, dass sie die Aussicht, nach der Hochzeit mit ihm auf Lexos zu leben, so erschreckt hatte. Sie wollte und verdiente ein eigenes Heim, und sie wollte eine der berühmtesten und romantischsten Städte kennenlernen, um dort ihr neues Leben in Freiheit zu beginnen. War das zu viel verlangt? Durchaus nicht, aber etwas musste auch sie noch lernen: dass er, Alexio Christoulakis, kein Angestellter ihres Vaters war und keine Angst vor ihm hatte.
    War es seine Pflicht, Ione mitzuteilen, dass ihr Vater keineswegs auf dem Weg der Besserung war und höchstwahrscheinlich nicht mehr lange leben würde? Minos wollte nicht, dass seine Schwester und seine Tochter diese bittere Wahrheit erfuhren, aber durfte er deshalb schweigen?
    Ein Hausmädchen führte Alexio zu Iones Suite. Er klopfte an, wartete kurz und betrat dann das geräumige Wohnzimmer. Im ersten Moment hatte er den Eindruck, in ein Spielwarengeschäft zu kommen, denn überall – auf Stühlen, Regalen und Tischen – saßen Teddybären. Riesige Bären, mittelgroße und kleine, einige weich und flauschig, aber die meisten so alt und abgenutzt, als hätten sie nie ein Fell gehabt. Sie fixierten Alexio mit ihren dunklen gläsernen Augen, und für einen Moment erlag er der beängstigenden Vorstellung, sie könnten lebendig werden und dem unerwünschten Eindringling auf den Leib rücken.
    Die Tür zum Schlafzimmer stand offen. Zwei Nachttischlampen brannten, aber Alexios Aufmerksamkeit wurde von einem leisen Stöhnen gefesselt, das vom Bett herkam. Vorsichtig trat er näher.
    Es war noch nicht elf Uhr, aber Ione schlief bereits fest. Typisch, dachte er im ersten Augenblick. Wann handelt eine Frau je so, wie man es erwartet? Er hatte angenommen, sie verzweifelt und in Tränen aufgelöst anzutreffen, aber sie war einfach schlafen gegangen. Dass ihr Vater und ihr Bräutigam sich ihretwegen fast geschlagen hätten, störte ihren Frieden nicht im Geringsten.
    Ione bewegte sich im Schlaf. Eine Strähne ihres hellblonden Haars fiel auf das Kopfkissen. Sie besaß wirklich wundervolles Haar, und es war bedeutend länger, als Alexio angenommen hatte. Und noch etwas bemerkte er. Während sie bei Tag Kleider bevorzugte, die schon Jahrzehnte vor ihrer Geburt veraltet gewesen waren, trug sie nachts die zarteste pfirsichgelbe Seide, die weich jeder Linie ihres Körpers folgte. Alexios Blick blieb an ihren kleinen, festen Brüsten hängen, und als sie sich seufzend auf die andere Seite drehte, entschied er, dass er sich zumindest mit einem Teil der Bären abfinden würde.
    Erst als Ione ihm nach einer Weile ihr vom Schlaf gerötetes Gesicht zuwandte, bemerkte er die Tränenspuren, die auf der zarten Haut zurückgeblieben waren. Sie schien schlecht zu träumen, denn plötzlich griff sie mit beiden Händen nach der Decke, drehte den Kopf unruhig hin und her und stöhnte wie in großer Angst.
    Im Traum war Ione wieder am Strand. Zwei Leibwächter hielten sie fest, während die anderen auf den hilflosen Yannis einprügelten. Sie waren beide gefangen, aber die Schuld daran trug sie allein, und nur ihr Vater hatte sich diese grausame Strafe ausdenken können. Nur von ihm konnte der Befehl kommen, dass sie Zeugin der Erniedrigung werden sollte, die sie durch ihren Ungehorsam heraufbeschworen hatte.
    Sie war unfähig gewesen, ihm zu helfen. Anstatt liegen zu bleiben, war Yannis immer wieder aufgestanden und hatte damit den nächsten, noch brutaleren Schlag herausgefordert. In ihrer Verzweiflung hatte sie angefangen zu schreien, immer lauter und lauter. Irgendjemand im Dorf musste sie doch hören. Irgendjemand musste doch kommen und dem Ganzen ein Ende machen.
    Mit dem letzten Schrei fuhr Ione in die Höhe, riss die Augen weit auf und sah eine große, dunkle Gestalt an ihrem Bett stehen.
    Alexio hatte sie wie gebannt beobachtet. Jetzt setzte er sich auf die Bettkante, nahm Ione schützend in den Arm und versicherte: „Es war nur ein Albtraum.“
    Ione zitterte am ganzen Körper. Sie blickte Alexio einen Moment starr an, fuhr dann angstvoll zurück und rief: „Nein, es ist wirklich passiert! Sie haben Yannis fast totgeschlagen.“
    Alexio war es nicht gewohnt, zurückgewiesen zu werden. Es verletzte seinen Stolz, aber vor allem musste er erfahren, was damals passiert war.
    „Erzähl mir die Geschichte“, forderte er Ione auf.
    „Ich hatte mich heimlich mit Yannis getroffen“, stieß sie halb schluchzend hervor. Der Albtraum war ihr noch zu deutlich

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