Julia Festival 94
vor Augen, und sie begriff nicht, wie Alexio in ihr Schlafzimmer gekommen war. „Daddy ließ ihn zusammenschlagen, während ich zusehen musste. Die Männer lachten, als sie ihn misshandelten, immer und immer wieder.“
Alexio schwieg betroffen. Ione richtete sich ganz auf, strich das Haar aus ihrem erhitzten Gesicht und sagte mit unerwartetem Feuer in den grünen Augen: „Er liebte mich, und dafür haben sie ihn beinahe umgebracht.“
Die hässliche Geschichte gefiel Alexio nicht, aber etwas anderes beschäftigte ihn weit mehr. Mit ihren blitzenden Augen, den vollen roten Lippen und dem aufgelösten Haar bot Ione ein Bild provozierender Sinnlichkeit. Und er konnte den Blick nicht von den beiden Brüsten mit den rosigen Knospen wenden, die sich unter der spitzenbesetzten Seide abhoben. Starkes Verlangen erfasste Alexio bei dem Anblick, und er hatte Mühe, sich zu beherrschen.
„Warum sagst du nicht, dass alle griechischen Väter die Pflicht haben, die Tugend ihrer Töchter zu schützen?“, fragte Ione gequält.
„Weil ich es nicht so ausdrücken würde“, antwortete Alexio, ohne seine innere Anteilnahme zu zeigen. „Abgesehen davon … welche Zukunft gäbe es für eine geborene Gakis und den Sohn eines Fischers?“
„Yannis befand sich im letzten medizinischen Semester, und ich kannte ihn seit vielen Jahren“, verteidigte sich Ione.
Alexio merkte, dass Yannis zu einem Problem zu werden drohte, das sein Verhältnis zu Ione nachhaltig belasten konnte. Das irritierte ihn, aber gleichzeitig spürte er das Bedürfnis, Ione weiter zu trösten und für immer von dem traumatischen Erlebnis zu befreien.
Langsam beugte er sich vor und umfasste ihr verstörtes Gesicht. Ihr Herz begann heftig zu klopfen, und sie sah wie gebannt in sein dunkles Gesicht. Die klassische Nase, das energische Kinn, die vollen, sinnlichen Lippen und der verschleierte Ausdruck in den dunklen Augen machten es anziehend und unendlich verführerisch. Gegen ihren Willen fühlte sich Ione in eine versöhnliche Stimmung versetzt.
„Du hast mich noch gar nicht gefragt, warum ich hier hereingekommen bin“, hielt Alexio ihr halb scherzhaft vor. „Ich wollte mit dir sprechen und hatte nicht erwartet, dich schon im Bett zu finden.“
Ione hob die Hand und ließ die Fingerspitzen sacht über Alexios dichtes Haar gleiten. Ihr ungehemmtes Verlangen erschreckte sie, aber sie sehnte sich nur noch danach, seine warmen, vollen Lippen auf ihrem Mund und ihrem Gesicht zu spüren. Alexio nahm ihre Hand, lächelte und sagte: „Wenn ich dich jetzt berühre, bleibe ich, und ich würde lieber auf unsere Hochzeitsnacht warten.“
Tiefe Röte färbte Iones Wangen. Alexio sagte das, als hätte sie ihn aufgefordert, mit ihr zu schlafen. Das traf ihren Stolz und brachte sie noch mehr durcheinander.
„Alexio, ich …“
„Schsch.“ Alexio betrachtete sie voller Genugtuung und legte ihr lächelnd einen Finger auf die Lippen. „Deine Ungeduld schmeichelt mir, aber Warten erhöht nur den Genuss.“
Nachdem Alexio das Zimmer verlassen hatte, wurde Ione von einer Wut gepackt, die ihr sekundenlang den Atem nahm. Wie konnte er es wagen, ihr Ungeduld vorzuwerfen, als wäre sie eins seiner sexbesessenen, hirnlosen Flittchen? Wie konnte er ihr unterstellen, dass der unschuldige Wunsch nach einem Kuss gleichbedeutend war mit einer Einladung in ihr Bett?
Alexio ahnte nichts von diesen Gedanken, während er, immer noch lächelnd, zu der Gästesuite hinüberschlenderte. Seine Ehe ließ sich besser an, als er befürchtet hatte. Ione war von ihrem herrschsüchtigen Vater so lange unterdrückt worden, dass ihr das Leben an der Seite eines toleranten und großzügigen Ehemannes wie das Paradies erscheinen würde. Er musste sich keine besondere Mühe geben, um sie zufrieden und glücklich zu machen. Wenn er sich nicht sehr irrte, hatte er sogar das Glück, eine Frau zu bekommen, die genauso heißblütig war wie er selbst.
Alexio hatte sich noch nie bei einer bereitwilligen Frau zurückgehalten, aber in Iones Fall war er gezwungen, bis zur Hochzeitsnacht zu warten. Dann würde er mehr als genug für den heutigen Verzicht entschädigt werden.
4. KAPITEL
An Iones Hochzeitstag, gut eine Woche später, wurde ein geheimnisvolles, in Goldpapier eingewickeltes Paket in der Villa abgegeben.
„Vermutlich enthält es Alexios Hochzeitsgeschenk“, meinte Kalliope mit kaum verhüllter Neugier. „Willst du es nicht öffnen?“
Ione betrachtete das Paket mit banger Vorahnung.
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