Julia Festival 94
eines Fischers. Er hat mich geküsst … mehr nicht. Das ist jetzt über zwei Jahre her.“
Alexio bezwang sich. Warum hätte sie keinen anderen küssen sollen? Noch dazu einen Fischerjungen? Nachträglich war es ihm fast peinlich, dass er ihr das lächerliche Geständnis entlockt hatte. Sein Zorn war daran schuld, den er sich selbst nicht erklären konnte.
Er sah Ione an, aber sie wich seinem Blick aus. Ihr Gesicht hatte eine ungesunde Farbe angenommen, und das schürte seinen Zorn. Sie hatte ihn belogen oder zumindest nicht die ganze Geschichte erzählt.
Es kostete ihn große Beherrschung, sie nicht auch noch nach dem Rest auszufragen. Ihre unnatürliche Blässe verriet zu deutlich, dass die Begegnung mit dem Fischerjungen ein entscheidendes Erlebnis für sie gewesen war.
3. KAPITEL
„Wollen wir uns jetzt die Bilder ansehen?“
Alexios Stimme klang unsicher. Es musste ihn kränken, dass eine Frau, die er gerade geküsst hatte, an einen anderen dachte. Wahrscheinlich zweifelte er jetzt an seiner Wirkung auf sie.
Ione sah ihn bittend an. „Du wirst meinem Vater doch nichts erzählen?“
Alexio spürte ihre verhaltene Angst. „Natürlich nicht.“
Ione führte ihn in die Gemäldegalerie, einen modernen Anbau der Villa. Der Druck der Erinnerung lastete immer noch auf ihr. Yannis war ihre erste und einzige Liebe gewesen. Es war eine unschuldige Liebe bis zu dem Tag gewesen, an dem die Leibwächter ihres Vaters ihr gefolgt waren und sie gezwungen hatten zuzusehen, wie Yannis von ihnen zusammengeschlagen wurde. Wenig später hatte seine Familie die Insel verlassen. Nie würde Ione vergessen, wie schrecklich Yannis ihretwegen gelitten hatte.
Wie dumm und leichtsinnig, Alexios davon zu erzählen! Vermutete er jetzt vielleicht, dass sie nicht mehr unschuldig war? Sie beobachtete ihn, während er die Bilder betrachtete, die ihrer Meinung nach in ein Museum gehörten, wo die Menschen sie nicht nur für eine gute Kapitalanlage hielten. Er wirkte ruhig, aber angespannt. Wahrscheinlich gehörte er zu den altmodischen Männern, die sich ihre Braut am liebsten verschleiert aus einem Kloster holten. Sollte sie sich den Spaß machen, ihn nach einer seiner zahllosen Affären zu fragen? Vielleicht sogar nach Crystal Denby? Immerhin hatte er die Absicht gehabt, sie zu heiraten, obwohl ihr Ruf keineswegs untadelig gewesen war.
Aber Crystal war einmalig gewesen … eine hinreißende, anerkannte Schönheit. Einer Frau, die mit so seltenen Vorzügen gesegnet war, konnte man natürlich mehr nachsehen als einer Frau von höchstens durchschnittlichem Aussehen. Es muss wunderbar sein, solche Macht über einen Mann zu besitzen, dachte Ione bedrückt.
„Es tut mir leid, dass ich dich vorhin so ausgefragt habe“, sagte Alexio unvermittelt. „Ich habe kein Recht, in deiner Vergangenheit herumzuschnüffeln.“
Ione hatte keine Entschuldigung erwartet, und es schien ihr, als sollte sie nur dazu dienen, das Thema wieder aufzugreifen und mehr über Yannis aus ihr herauszulocken. Das erregte ihren Widerstand. Sie war drauf und dran, ihn doch nach Crystal zu fragen, überlegte es sich aber besser und schwieg.
Alexio fühlte sich durchschaut, doch anstatt es Ione übel zu nehmen, bewunderte er sie. Sie hatte seine geheime Absicht erkannt und durchkreuzt, das imponierte ihm. Ein fast jungenhaftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht und wirkte so ansteckend, dass Ione ebenfalls lächelte.
„Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Alexio zog einen Ring aus der Tasche seines maßgeschneiderten Jacketts. „Es ist der Verlobungsring meiner Familie, aber wenn er dir nicht gefällt, musst du es ehrlich sagen. Du kannst dir jederzeit einen eigenen Ring aussuchen. Um dir die Entscheidung zu erleichtern … meiner Mutter war der Ring zu altmodisch. Sie lehnte es ab, ihn zu tragen.“
Verwirrt betrachtete Ione die Brillanten, die im Scheinwerferlicht der Galerie funkelten. Ein Erbstück also. Fast hätte sie ein schlechtes Gewissen bekommen. Was immer sie von Alexio hielt, im Gegensatz zu ihr nahm er diese Heirat ernst.
„Er ist wunderschön“, flüsterte sie und streckte die Hand aus, um sich den Ring anstecken zu lassen.
Alexio folgte der Aufforderung und versicherte mit großem Ernst: „Wenn ich dich auch nicht liebe, will ich doch alles tun, um dir ein guter Ehemann zu sein.“
Ione wehrte sich insgeheim gegen diese Zusicherung. War sie ernst gemeint oder nur so dahingesagt? Wie auch immer, sie hatte zum Glück nicht die Absicht, Alexio
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