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Julia Festival 94

Julia Festival 94

Titel: Julia Festival 94 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Graham
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auf die Probe zu stellen. Sie hatte ein Recht auf Liebe, wie alle Frauen, und eines Tages würde sie diese Liebe finden. Bis dahin sollten sich die Männer ja vor ihr in Acht nehmen! Sie würde mit ihnen spielen, sie verrückt nach ihr machen …
    Ione musste über sich selbst lachen. Bevor sie nicht ausprobiert hatte, wie ihre Chancen bei den Männern standen, war es wohl vernünftiger, nicht ganz so hohe Erwartungen zu hegen.
    „Ione …“ Alexio betrachtete ihr verschlossenes Gesicht und versuchte zu ergründen, in welche Ferne ihr geistesabwesender Blick gerichtet war. Was zog sie immer wieder von ihm fort?
    „Alexio! Wie geht es Ihnen?“, erklang es durchdringend vom Eingang der Galerie her. „Ione hätte mir viel früher Bescheid sagen sollen.“
    Der unerwartete Anblick ihrer Tante, die mit einem entzückten Lächeln auf Alexio zueilte, erlöste Ione aus ihren Grübeleien, jetzt musste sie sich nicht mehr darum bemühen, Alexio zu unterhalten. Kalliope schwärmte für junge attraktive Männer und verstand es, mit ihnen umzugehen. Alexio bewies seinerseits, wie höflich und gewinnend er sein konnte, und ließ die endlosen Fragen nach seinen nächsten und fernsten Verwandten geduldig über sich ergehen.
    „Du verdienst keinen Mann aus guter Familie“, meinte Kalliope, als sie mit Ione in den Flügel der Villa zurückging, den die Frauen bewohnten. „Wenn Alexio deine Vergangenheit kennen würde, könnte ihn keine Macht der Welt dazu bewegen, dich zu heiraten.“
    Diesmal erregte Kalliopes Gehässigkeit nur Mitleid bei Ione. Sie wusste, dass sich Kalliope vor etwa zwanzig Jahren in einen Angestellten ihres Bruders verliebt hatte. Minos hatte daraufhin einen Tobsuchtsanfall bekommen und ihr die Heirat kategorisch verboten. Kalliope hatte sich der Entscheidung gefügt, war ledig geblieben und trauerte heute mit ihren fünfzig Jahren einem verlorenen Leben nach.
    Aber sie lebt noch, dachte Ione, während sie ein dunkles, langweiliges Abendkleid aus dem Schrank nahm. Cosmas hatte weniger Glück gehabt. An dem Abend, als er mit seinem Privatjet abgestürzt war, hatte er unter starkem Druck gestanden und sich nicht ausreichend auf das Lenken des Flugzeugs konzentrieren können. Das war sein Tod gewesen. Nur Ione wusste, welche panische Angst auch er vor seinem Vater ausgestanden hatte.
    Cosmas war ein zerrissener Mensch gewesen – geschäftstüchtig wie sein Vater und sensibel wie seine Mutter. Tränen traten Ione in die Augen, als sie an den älteren Bruder dachte, der ihr immer noch fehlte. Was immer es sie kosten mochte und welches Risiko sie auch eingehen musste: Sie würde das tun, was er nicht gewagt hatte. Sie würde sich ihre Freiheit erkämpfen. Sie würde aus dem Gefängnis ausbrechen, ehe ihr Wille gebrochen war.
    Nach dem ersten Gang des festlichen Dinners erklärte Minos, dass die Hochzeit innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden müsse, da er Griechenland anschließend für mindestens einen Monat verlassen werde. Ione warf Alexio einen verunsicherten Blick zu, konnte aber keine große Überraschung bei ihm feststellen. Sein schmales, markantes Gesicht zeigte nicht die geringste Reaktion. Vielmehr betrachtete er Ione so seltsam, dass sie errötete und schnell woanders hinsah.
    „Natürlich wird die Trauung hier auf der Insel stattfinden“, entschied Minos und setzte mit einem für Alexio bestimmten Lächeln hinzu: „Anschließend bezieht ihr einen Flügel der Villa. Ione muss dann nicht die Gesellschaft ihrer Tante entbehren, wenn du geschäftlich unterwegs bist, und wird weiter rund um die Uhr von meiner Leibwache beschützt.“
    „Nein!“ Ione ließ augenblicklich Messer und Gabel fallen. „Niemals!“
    Kalliope berührte unter dem Tisch schnell Iones Knie, aber jede Warnung kam zu spät. Minos lief dunkelrot an, fuhr von seinem Stuhl auf und brüllte, die Faust erhoben: „Was hast du eben gesagt?“
    Ione war kreidebleich geworden. Während sie noch ängstlich auf den drohenden Faustschlag wartete, sprang auch Alexio auf, schleuderte seinen Stuhl zurück und schrie mit gleicher Heftigkeit: „Wenn du sie auch nur berührst, bringe ich dich um. Das schwöre ich!“
    Das Schweigen, das folgte, war spannungsgeladen. Kein Mensch hatte jemals gewagt, Minos so entgegenzutreten. Mit verblüfftem, ja fassungslosem Gesicht drehte er sich zu seinem Herausforderer um und musterte ihn scharf. Eisige Furcht erfasste Ione. Am liebsten hätte sie sich über den Tisch geworfen, um Alexio vor der

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