Julia Festival 94
Trauzeuge mit Würde und allem notwendigen Ernst.
Die Zeremonie begann mit der Segnung der Trauringe durch den Priester. Braut und Bräutigam hatten sich an den Händen gefasst und hielten in der freien Hand eine brennende Kerze. Nachdem der Priester sie mit blühenden Orangenzweigen bekränzt hatte, segnete er ihren Bund mit den zeitlosen, ewig gültigen Worten, die Ione tief ans Herz rührten und ihr ein quälendes Schuldgefühl verursachten.
Als sie nacheinander von dem Wein tranken – dem Symbol, dass sie von nun an alles teilen würden –, hielt Alexio Iones Hand, damit sie nichts aus dem kostbaren Becher verschüttete. Danach schritten sie mehrmals um den geweihten Tisch herum, auf dem eine kostbare Ausgabe der Bibel lag, und ließen sich von den Gästen mit Rosenblättern und Reis überschütten. Zum Schluss nahm ihnen der Priester die Blütenkränze wieder ab und erklärte sie zu Mann und Frau.
„Ich fürchtete schon, du würdest ohnmächtig werden“, meinte Alexio besorgt, als er mit Ione die Kirche verließ und sie zielstrebig zu der Limousine führte, die noch immer von Schaulustigen umlagert war. „Dir fehlt doch nichts?“
„Nein, nein“, versicherte sie schnell, denn die Zeremonie war vorbei, und was geschehen war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Während der Fahrt zur Villa hielt sie die Hände verkrampft im Schoß und versuchte, möglichst wenig an Alexio zu denken. Je weniger sie sich beachteten, umso besser für sie beide.
„Du siehst bezaubernd aus“, stellte er unterwegs fest und versuchte so, ein Gespräch anzuknüpfen.
„Danke“, sagte Ione leise, ohne ihn anzusehen.
„Leider konntest du meine Familie vor der Hochzeit nicht mehr kennenlernen“, fuhr Alexio fort. „Hat dein Vater immer so ungern Gäste in der Villa empfangen?“
„Leider ja.“
Minos hatte sich nie Zeit für gesellschaftliche Verpflichtungen genommen. Was die Familie Christoulakis betraf, so lag ihm alles an Alexio und nichts an dessen Verwandten. Sie vor der Hochzeit einzuladen hätte ihn nur in seiner Bequemlichkeit gestört, Ione war drauf und dran, sich für ihren Vater zu entschuldigen, als ihr einfiel, dass eine noch viel herbere Enttäuschung auf die Christoulakis’ wartete: das heimliche Verschwinden ihrer Schwiegertochter. Demgegenüber verdienten unterlassene Höflichkeiten kaum der Erwähnung.
Als Sander und Louisa Ione in der Villa noch einmal Glück wünschten, wusste sie vor Gewissensbissen nicht, wo sie hinsehen und was sie auf die freundlichen Worte erwidern sollte. Fast kam es ihr wie eine Erlösung vor, dass ihr Vater sie mit einer herrischen Handbewegung zu sich rief.
„Du hast in der Kirche nicht einmal gelächelt“, hielt er ihr in seiner rücksichtslosen Art vor. „Nimm dich endlich zusammen, sonst verliere ich doch noch die Geduld.“
Das Bewusstsein, solche Kränkungen schon bald nicht mehr ertragen zu müssen, gab Ione Kraft. Sie versuchte sogar zu lächeln und hörte im selben Augenblick Alexio sagen: „Ich habe dafür umso mehr Geduld.“ Und dann legte er ihr einen Arm um die verkrampften Schultern.
Minos brach in verächtliches Lachen aus. „Die wirst du auch brauchen, denn Ione wird dich vielleicht noch überraschen.“
Ione errötete bei diesen Worten, die sie als versteckten Hinweis auffasste, das Geheimnis ihrer illegitimen Geburt ja nicht preiszugeben. Als sich Minos kurz darauf anderen Gästen zuwandte, nahm Alexio sie fester in den Arm und fragte mit gerunzelter Stirn: „Warum ist dein Vater immer so grausam zu dir? Was hat zu dieser Entfremdung geführt?“
„Wir haben uns nie besonders nahe gestanden“, antwortete Ione ausweichend. Es war ihr überaus peinlich, dass Alexio eine derartige Frage stellte, denn sie hatte inzwischen beobachten können, wie eng die Bande zwischen ihm und seiner Familie waren.
Nicht nur Iones ausweichende Antwort, sondern auch ihr ständig gesenkter Blick machten Alexio misstrauisch. Warum hatte Minos gesagt, dass sie ihn wahrscheinlich noch überraschen würde? Und warum benahm sie sich so, als fühlte sie sich schuldig oder hätte irgendein Geheimnis zu verbergen? Dabei konnte es sich doch nur um den Fischerjungen handeln. Yannis war der Grund, der zu der auffälligen Entfremdung zwischen Vater und Tochter geführt hatte. Hing Ione etwa immer noch an ihm – zwei Jahre nach der Trennung?
Alexio begann, sich zu fragen, ob er wirklich die Geduld und Toleranz aufbringen würde, die er Ione versprochen hatte. Sie war
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