Julia Festival 94
blieb unvermittelt stehen, sagte etwas, das wie ein scharfer Befehl klang, und ließ Freddy unsanft auf den Diwan neben der Tür fallen. Staunend beobachtete sie, wie die Frau von dem Bett auffuhr und einen Schrei ausstieß, der Glas zum Zerspringen gebracht hätte. Ihre vollen tiefroten Lippen lächelten nicht mehr in wollüstigem Verlangen, aus den dunklen Augen funkelten nur noch Wut und Hass, und der Sprung, mit dem sie sich Jaspar entgegenwarf, glich dem einer gereizten Tigerin.
Jaspar warf ihr eins der seidenen Betttücher zu. „Entschuldige mich“, sagte er zu Freddy und verließ mit großen Schritten das Zimmer. Er war sehr blass geworden.
„Wer sind Sie?“, schrie die Frau, während sie ihren schlanken Körper in das Tuch hüllte. „Jaspar hat englisch mit Ihnen gesprochen. Sie ausländisches Flittchen!“
Freddy reagierte mit keinem Wort und keinem Blick. Wie konnte man anderen Menschen derartige Beleidigungen an den Kopf werfen? Wer war diese Frau? Jaspars ehemalige Geliebte? Dann konnte man nur bewundern, wie bedenkenlos er ihr den Laufpass gab!
Drei Dienerinnen kamen eilig herein, bemühten sich um die Frau und führten sie so behutsam wie möglich aus dem Zimmer. Freddy hörte noch, wie sie draußen in heftiges Schluchzen ausbrach. Eine Weile herrschte Stille, dann näherten sich im Vorraum Schritte. Jaspar kam zurück. Hatte er nicht gesagt, dass sich ihm die Frauen anboten, seit er denken konnte? Freddy hatte nicht geahnt, wie wörtlich das zu nehmen war! Was wollte Jaspar von ihr, wenn eine andere ihn so bereitwillig erwartete? Es war schwer, das zu begreifen.
„Nun?“, fragte er in leicht ironischem Ton. „Wo waren wir stehen geblieben?“
Seine Selbstsicherheit war durch den Zwischenfall so wenig erschüttert worden, dass Freddy ihn nur staunend ansehen konnte. „Nirgendwo“, stieß sie mühsam hervor, „und dabei wird es bleiben.“
„Dies ist unsere Hochzeitsnacht.“ Jaspar musterte Freddy so ungeniert, dass sie verlegen den Blick senkte. „Du bist meine Frau, und ich habe vor, mich an dir zu erfreuen.“
Freddy suchte umsonst nach einer Antwort, denn sie hatte inzwischen begriffen, dass Jaspar es ernst meinte. Ich habe vor, mich an dir zu erfreuen – wie verräterisch dieser Satz war! Man erfreute sich an einer Mahlzeit, einem Konzert oder einem Reiseabenteuer. Dort, wo Freddy herkam, war es nicht üblich, sich an einer Frau „zu erfreuen“, als wäre ihr Körper zu angenehmem Zeitvertreib da. Aber Freddy war nicht mehr in England. Sie war in Quamar, und bei Jaspars tadellosem Englisch konnte sie nicht davon ausgehen, dass er sich ungeschickt ausgedrückt hatte. Im Gegenteil, er hatte seine Worte sehr bewusst gewählt.
„Bist du etwa überrascht?“ Jaspar zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Das kann ich mir kaum vorstellen. Eine schüchterne, empfindsame Frau hätte mich kaum zu einer Heirat erpresst. Obwohl du genau wusstest, dass ich keinen Anteil an Benedicts Entführung hatte und nur sein Bestes wollte, hast du mich zu dieser unwürdigen Komödie gezwungen. War das fair?“
Die direkte Frage und noch mehr der Ton, in dem sie gestellt wurde, rührten an Freddys Gewissen. In ihrer Angst um Ben, in dem verzweifelten Wunsch, ihn wieder in ihre Obhut zu nehmen, hatte sie bewusst ignoriert, welches Unrecht sie Jaspar zufügte. Aufkommende Zweifel hatte sie unterdrückt, Scham und Ehrgefühl einfach beiseitegeschoben. Erst jetzt wurde ihr durch Jaspars Haltung klar, wie tief sie seinen Stolz verletzt hatte.
„Du bist ein intelligenter Mann, Jaspar“, sagte sie schnell und atemlos. „Ich glaube nicht, dass du mit mir schlafen willst, um Vergeltung zu üben. Das wäre dumm, alles andere als vernünftig …“
„Vernünftig?“ Jaspar beugte den Kopf zurück und lachte so unbeschwert, dass Freddy zusammenzuckte. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung streifte er sein Jackett ab und warf es auf die Mosaiktruhe am Fußende des Bettes. „Ich fühle mich nicht vernünftig …“ Er löste seine Krawatte und warf sie hinterher. „Ganz im Gegenteil.“
Jaspars Art zu sprechen und noch mehr seine Bewegungen fesselten Freddys Aufmerksamkeit. Jeden anderen Mann hätten ihre ablehnenden Worte nachhaltig ernüchtert, aber bei Jaspar taten sie keine Wirkung. Er stand da, knöpfte langsam sein Hemd auf und sah sie dabei unverwandt an. Er wusste, wie männlich er wirkte und wie unwiderstehlich er Frauen anzog. Er verzauberte sie, zog sie in seinen Bann und ließ sie
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