Julia Festival 94
die Wangen. Wie oft hatte Ruth ihr gepredigt, dass es falsch war, jeden Umgang mit Männern zu meiden. Aber Ruth hatte gut reden! Freddy hielt nichts von flüchtigen Affären, und die wenigen Einladungen, denen sie gefolgt war, hatten ihr gezeigt, dass ein Mädchen mit Grundsätzen bei Männern wenig gefragt war und eher belächelt wurde.
Jaspar streckte sich in seinem Sessel aus und sah spöttisch auf seine junge Ehefrau. Es stand ihr gut, wenn sie errötete. Unter anderen Umständen würde er jetzt mit ihr auf dem großen Bett in der Schlafkabine liegen, um seine heiße Lust zu stillen, aber in seiner Lage kam es vor allem auf Diskretion an. Hier an Bord mit Freddy zu schlafen wäre eine unentschuldbare Provokation gewesen. Seine Landsleute würden schnell genug herausbekommen, dass er eine Frau in seinem Wüstenpalast verborgen hielt. Die Quamaris klatschten für ihr Leben gern, aber solange er als Junggeselle galt, konnte ihm das egal sein.
Ein lauernder, fast grausamer Ausdruck erschien in Jaspars dunklen Augen. Die Gerüchte um Freddy würden Sabirahs Hoffnungen nachhaltig dämpfen. Wie hatte er diese Frau verehrt, wie sehr gewünscht, sie zu heiraten! Aber dann war Adils Blick auf sie gefallen und hatte den Ehrgeiz in ihr geweckt. Sie hatte sich von dem jüngeren Bruder abgewandt, um die dritte Frau des Thronerben zu werden. Inzwischen war Adil tot. Jetzt war er, Jaspar, der Thronerbe, und damit hatte auch Sabirah ihre alte Neigung wiederentdeckt.
Wie lange musste er eigentlich noch für die Sünden seines Bruders büßen? Sabirah, Freddy … überall begegneten ihm Frauen, die sein Bruder zurückgelassen hatte und die jetzt seinem stolzen Namen Schande machten. Vor allem diese Freddy Sutton, die nicht wert war, dieselbe Luft mit ihm zu atmen, die nur das Geld liebte und keine Träne um seinen toten Bruder geweint hatte.
Jaspar senkte die Lider, um Freddy ungestörter beobachten zu können. Sie hatte keinen Charakter, aber sie hatte Mut. Jaspar schätzte Frauen mit Mut. In „Anhara“ würde er den Dienerinnen befehlen, allen Haarschmuck zu beseitigen, damit Freddy ihre blonde Lockenpracht offen tragen musste. Die Vorstellung, sie mit gelöstem Haar auf seinem Bett liegen zu sehen, erfüllte ihn mit quälender Ungeduld. Adil hatte ihr vorübergehend seine Gunst geschenkt, aber nur er, Jaspar, würde alle sinnlichen Freuden mit ihr auskosten und der wahre Held ihrer Träume werden.
Der Jet rollte aus und kam mit einem leichten Ruck zum Stehen. Die Tür öffnete sich geräuschlos, und eine Gangway wurde herangerollt. Freddy saß sehr aufrecht in ihrem Ledersessel. Sie befand sich auf einem der modernsten Flugplätze der Welt, in Begleitung ihres Ehemannes, der ein Meister darin war, sie zu übersehen. Zugegeben, er war ein viel beschäftigter Mann, aber ein gelegentliches Wort hätte auch ihn nicht umgebracht!
Freddy kam sich mehr als lächerlich vor, als Jaspar das Flugzeug verließ, ohne ihr auch nur einen Blick zuzuwerfen. Ohne lange zu überlegen, eilte sie hinter ihm her und flüsterte: „Hast du einen Schleier, mit dem ich mein Gesicht bedecken kann?“
„Wolltest du das denn?“ Er sah sie spöttisch über die Schulter an. „Dann muss ich dich enttäuschen. Ein Schleier würde hier mehr Aufsehen erregen als dein Gesicht. Unsere Frauen verschleiern sich nicht, denn Quamar ist kein muslimisches, sondern ein christliches Land.“
Freddy schämte sich wegen ihrer Unwissenheit. Zu dumm, dass sie keine Zeit gehabt hatte, sich genauer über das Land zu informieren, das zumindest für die kommenden Wochen oder Monate ihre Heimat sein würde.
Dass es ein Land mit ungewöhnlich heißem Klima war, spürte sie, sobald sie auf die Gangway hinaustrat, aber schon stand ihr die nächste Überraschung bevor. Jaspar begab sich nicht in das Flughafengebäude, sondern zu einem Hubschrauber, der in geringer Entfernung bereitstand.
„Fliegen wir noch weiter?“, fragte Freddy, die mühsam mit ihm Schritt hielt.
„Ja.“ Jaspar umfasste ihre Taille und hob Freddy in den Hubschrauber.
Freddy schloss mit unsicheren Händen den Sicherheitsgurt. „Wann bekomme ich Ben zu sehen?“
„Ich hoffe, dass ich ihn heute Abend mitbringen kann, aber du musst Geduld haben. Alles hängt von meinem Vater ab.“
„Und wenn er Nein sagt?“
Jaspar beherrschte seine Ungeduld. Begriff diese Frau denn gar nichts? Natürlich würde sein Vater Nein sagen! Pietätvoll, wie er war, würde er seinem Vater mitteilen, dass er
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