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Julia Festival 94

Julia Festival 94

Titel: Julia Festival 94 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Graham
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    Ben hatte den Vormittag bei seinem Großvater im königlichen Palast zugebracht und wartete ungeduldig in der Halle, um seine neue Trommel vorzuführen. Er kam nie ohne ein neues Geschenk zurück, war meist übermüdet oder überreizt und hatte sich mit Unmengen von Süßigkeiten voll gestopft. Trotzdem hatte Freddy ihr Vorurteil, das Interesse für den Jungen sei nur eine vorübergehende Laune des alten Königs, revidieren müssen. Nur sie selbst wurde weiter ignoriert und blieb von allen gesellschaftlichen Anlässen ausgeschlossen.
    Jaspar nahm Ben auf den Arm und fragte ihn in gedämpftem Arabisch, ob er einen angenehmen Vormittag verbracht habe. Ben antwortete völlig unbefangen in derselben Sprache, sodass Freddy, die nicht mehr die schnelle Auffassungsgabe eines Kindes besaß, manches unverständlich blieb. Sie hatte die Angestellten gebeten, ihr Arabisch zu korrigieren, und sich damit Jaspars Unwillen zugezogen. Jeder Quamari würde vor einer solchen Unhöflichkeit zurückschrecken, hatte er gesagt, und nur ein Sprachlehrer dürfe sich diese Freiheit herausnehmen. Seitdem bemühte sich Basmun, einen geeigneten Lehrer ausfindig zu machen.
    „Ich muss mich umziehen“, sagte Jaspar und setzte Ben wieder ab. „Ich habe eine wichtige Besprechung.“
    Freddy nahm Ben an der Hand und folgte Basmun, um sich die Pläne für eine neue Küche zeigen zu lassen. „Anhara“ gehörte zwar der königlichen Familie, aber Jaspar achtete sorgfältig darauf, dass alle baulichen Veränderungen vorher mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgesprochen wurden. Um keine Streitigkeiten heraufzubeschwören, hatte sich Freddy daher für die neue Küche einen wenig beachteten Teil des Palastes ausgesucht.
    Sie ging die Pläne mit dem Architekten durch und machte auf Basmuns diskrete Anregung hin einige Verbesserungsvorschläge, die sofort akzeptiert wurden. Inzwischen war es Mittag geworden, aber Ben hatte keinen Hunger, und außerdem fielen ihm fast die Augen zu.
    Freddy brachte Ben in sein Schlafzimmer, wo die neue Kinderfrau ihn erwartete. Sie sah reizend aus, lachte gern und verwohnte den königlichen Enkel nicht ganz so hemmungslos wie die übrige Dienerschaft. Ben sah sich nach seinem Teddy um und fing an zu weinen, als er ihn nicht finden konnte.
    „Teddy“, schluchzte er, mehr aus Müdigkeit als aus echtem Kummer.
    „Ich hole ihn“, versprach Freddy, denn der Teddy konnte nur im Garten sein, wo er wahrscheinlich am Morgen im Trubel des Aufbruchs vergessen worden war.
    Während Freddy im Schatten der Bäume dahinschlenderte, fiel ihr der dumme Streit mit Jaspar ein. Ja, es war ein dummer Streit gewesen, denn Jaspar zählte nicht zu den Männern, die sich ein Verhalten, wie es Sabirah an den Tag gelegt hatte, als persönlichen Erfolg anrechneten. Viel eher hatte er Mitleid mit einer Frau, die vielleicht ihrem Mann nachtrauerte und mit ihrer plötzlichen Einsamkeit nicht fertig wurde. Wahrscheinlich hatte sie in einem Anflug von Panik gehandelt und wurde inzwischen von heftigen Gewissensbissen geplagt. Man konnte sie bedauern, aber sie zu verachten wäre lieblos gewesen.
    Freddy entdeckte den Teddy in der Nähe des Landeplatzes und war schon auf dem Rückweg, als sie unter einem blühenden Baum einen alten Mann mit langem weißem Bart bemerkte. Er trug die traditionelle dunkelblaue Djellaba der Wüstennomaden, stützte sich schwer auf einen Stock und rang in der heißen unbewegten Luft mühsam nach Atem. Fast schien es, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen, und Freddy eilte in höchster Besorgnis auf ihn zu.
    „Kommen Sie“, bat sie den alten Mann, dessen zerfurchtes Gesicht grau und eingefallen wirkte. „Setzen Sie sich hierhin.“ Dabei umfasste sie seinen Arm, um ihn zu einer nahen Bank zu führen.
    Der Mann protestierte heftig auf Arabisch, was seine Atemnot noch verstärkte.
    „Bitte regen Sie sich nicht auf“, fuhr Freddy eindringlich fort. „Ich möchte Ihnen nur helfen. Sie fühlen sich nicht wohl und brauchen unbedingt Ruhe. Sind Sie die lange Treppe vom Tor heraufgestiegen? Sie ist sehr steil und bringt sogar mich außer Atem.“
    Mit sanftem Nachdruck half sie dem alten Mann auf die Bank. „Atmen Sie langsam und möglichst gleichmäßig“, riet sie ihm. „Ich laufe schnell hinein und hole Ihnen ein Glas Wasser. Rühren Sie sich ja nicht von der Stelle, sonst werde ich sehr böse.“
    Der Mann zog die dichten weißen Augenbrauen zusammen und wollte etwas sagen, aber Freddy kam ihm

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