Julia Festival Band 0103
Einzelheit zu begutachten. Sie trug ein tadellos sitzendes flamingorosa Schneiderkostüm mit farblich perfekt abgestimmten Accessoires. Auch ihr Make-up ließ darauf schließen, dass Birgitta sich in aller Ruhe und mit größter Sorgfalt zurechtgemacht hatte.
Amber war fassungslos. Wie konnte diese Frau nur so eitel sein, wenn Finns Leben auf Messers Schneide stand? Wütend, die Hände zu Fäusten geballt, herrschte Amber sie an: „Was machst du hier, Birgitta?“
Birgittas Lächeln verblasste. „Ich bin ausdrücklich um einen Besuch gebeten worden.“
„So? Das kann ich mir kaum vorstellen“, entgegnete Amber hitzig.
„Aber …“
„Nichts aber! Wie kannst du nur die Frechheit besitzen, dich hier blicken zu lassen, nach allem, was du getan hast? Oder ist es deine übliche Masche, dich in aller Öffentlichkeit den Männern anderer Frauen an den Hals zu werfen?“
Birgittas Augen wurden groß vor Staunen. „Aber ich habe Finn gar nicht geküsst, er hat mich geküsst! Hast du das nicht gesehen?“
Beruhigend legte Philomena die Hand auf Ambers Arm, aber so leicht ließ Amber sich nicht beschwichtigen. „Finn braucht dich nicht, Birgitta! Er gehört zu mir, und jetzt, da er krank ist, werde ich für ihn da sein! Also mach, dass du wegkommst!“
Birgitta schien sich unschlüssig zu sein, denn sie zögerte. „Ich bin nicht wegen Finn gekommen“, sagte sie schließlich. „Du bist es, Amber, mit der ich sprechen will. Ich …“
„Das mag schon sein, aber ich will nicht mit dir sprechen, Birgitta! Ich bin beschäftigt, und es gibt nichts, was ich mit dir zu bereden hätte. Verstehst du das? Ich möchte nur, dass du gehst, und zwar sofort.“
Birgitta zuckte resigniert die Schultern, öffnete ihre Handtasche und zog einen Brief hervor. Amber erkannte auf den ersten Blick, wer die Adresse geschrieben hatte.
„Finn bat mich, dir das zu geben.“
Amber schreckte zurück, unerklärlicherweise fürchtete sie sich davor, diesen Brief anzunehmen. Doch dann riss sie sich wieder zusammen. Jetzt, da Finn krank war, musste sie stark sein. Ihre Hände zitterten, als sie den Brief an sich nahm und ans andere Ende des Raums ging, wo eine Kaffeemaschine für Besucher stand. Dort öffnete sie den Brief und las ihn.
Es waren nicht Finns übliche schwungvolle Schrift und sein lebendiger Stil. Alles ließ darauf schließen, dass er diesen Brief, der das Datum des Neujahrstags trug, nur unter größten Anstrengungen hatte schreiben können.
Liebe Amber,
ich weiß, dass es feige ist, es Dir auf diesem Wege mitzuteilen, aber ich halte eine gemeinsame Zukunft für ausgeschlossen. Mein Verhalten in letzter Zeit hat Dir bestimmt deutlich gemacht, dass ich eine tiefe Zuneigung zu Birgitta entwickelt habe – und Du weißt, dass ich nur einer Frau treu sein kann. Du hast mir sehr viel bedeutet, und das wird immer so bleiben. Wir haben so viel Schönes erlebt, und ich möchte uns die Erinnerung daran nicht vergällen. Daher schlage ich vor, dass wir uns nicht mehr sehen – jedenfalls nicht in der nächsten Zeit.
Dein Finn
Von Liebe, fiel Amber auf, hatte er nicht gesprochen. Als sie sich wieder umdrehte, fing sie Philomenas fragenden Blick auf, die offenbar nicht wusste, wie sie die Situation verstehen sollte. Amber jedoch hatte nur Augen für Birgittas ebenmäßig schönes Gesicht und den Spott, der daraus zu sprechen schien. Ich habe Finn verloren, dachte sie verzweifelt und hielt den Brief hoch.
„Du weißt doch, was hier steht, oder?“
Birgitta nickte. „Ja, Finn hat ihn mir gezeigt.“
„Finn liebt dich also, Birgitta – oder bildet es sich zumindest ein.“
Birgitta lächelte nachsichtig und überlegte lange, bevor sie sprach. „Ich maße mir nicht an, von Liebe zu sprechen“, sagte sie seltsam förmlich, und ihr Akzent war ausgeprägter denn je. „Dazu kennen wir uns noch nicht gut genug.“
Aus den Augenwinkeln beobachtete Amber, dass Ursula inzwischen gekommen war und sich neben Philomena gestellt hatte. Ursula hatte die Stirn gerunzelt und machte den Eindruck, als würde sie befürchten, dass ihre kleine Schwester Amber jeden Moment aus der Rolle fallen könnte.
Sollte sie Ursula den Gefallen tun? Sollte sie sich auf Birgitta stürzen, sollte sie treten, kratzen und beißen? Sollte sie auch noch das letzte bisschen Würde, das sie besaß, verspielen?
Amber atmete einmal tief durch und wandte sie sich dann an Philomena. „Könnte ich Finn wenigstens ganz kurz sehen?“, bat sie.
Philomena
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