Julia Festival Band 0103
errötete, blickte fragend zu Ursula, die kaum merklich den Kopf schüttelte, und antwortete dann: „Ich halte es nicht für gut, Amber.“
Amber sah Birgitta an, der sie am liebsten die silberblonden Haare ausgerissen hätte, und machte einen Schritt auf sie zu. Birgitta, um ihr die Ehre zu lassen, wich nicht zurück.
„Ich kann dir nur raten, pass gut auf Finn auf“, sagte Amber mühsam und mobilisierte ihre letzten Kräfte, indem sie an die Liebe dachte, die Finn und sie füreinander empfunden hatten. Das ließ sie wieder stark werden.
Finn hatte sie einmal geliebt, hatte sie gebeten, seine Frau zu werden, und ihr den Ring an den Finger gesteckt. Sie hatte es also nicht nötig, mit gesenktem Kopf und gedemütigt das Feld zu räumen.
Amber straffte sich, gab Ursula einen Wink und verließ an ihrer Seite die Station in aufrechter und stolzer Haltung. Schweigend gingen sie vom Krankenhaus zum Taxistand, und auch auf der Fahrt zu Finns Wohnung sprachen sie nicht. Amber hatte Angst, beim ersten Wort in Tränen auszubrechen, und Ursula war klug genug, ihre Schwester nicht anzusprechen.
Amber schien es eine Ewigkeit her zu sein, dass sie das letzte Mal in der Wohnung gewesen war. Immer noch stand schmutziges Geschirr von der Silvesterparty herum, und Amber war nah dran, es in die Spülmaschine räumen. Doch dann fiel ihr ein, dass sich die Verhältnisse geändert hatten. Wahrscheinlich hatte Birgitta längst einen Schlüssel und würde in den nächsten Tagen kommen, um Ordnung zu schaffen.
„Wartest du, bis ich meine Sachen gepackt habe?“, fragte sie Ursula mit einer Stimme, die leblos und hohl klang.
„Natürlich.“
„Darf ich sie zu dir bringen?“
„Wie kannst du nur so etwas fragen, Amber! Sicher darfst du das! Du kannst, solange du möchtest, bei mir wohnen, das weißt du doch.“
Amber schüttelte traurig den Kopf. „Nein, Ursula, das geht nicht. Ich werde nur so lange bei dir bleiben, bis ich sicher bin, dass Finn …“ Sie musste schlucken. „Bis ich sicher bin, dass Finn außer Lebensgefahr ist.“
„Und dann?“
Amber blickte sich in der eleganten Wohnung um, die einmal ihr Zuhause gewesen war.
„Das weiß ich noch nicht, Ursula.“
10. KAPITEL
Es war ein wunderschöner Morgen, und die Sonne strahlte hell vom herrlich blauen Himmel. Amber tunkte das Croissant in die Schale Milchkaffee und biss herzhaft hinein. Langsam kehrte ihr gesunder Appetit zurück.
Trotzdem fühlte sich immer noch so schwach, als hätte sie gerade eine schwere Krankheit überstanden. Der Vergleich war vielleicht gar nicht so schlecht, denn im Mittelalter hatten die Menschen Liebe auch für eine Krankheit gehalten. Ob Krankheit oder nicht, sie musste diese Liebe jetzt jedenfalls vergessen.
In London hatte sie nach ihrem Besuch im Krankenhaus tagelang auf Neuigkeiten von Finn warten müssen, denn die Familie hatte eine totale Nachrichtensperre verhängt. Doch dann hatte Philomena ihr einen liebevollen Brief geschrieben und ihr mitgeteilt, dass Finn auf dem Weg der Besserung sei – wenn es auch ein langer und schwerer Weg werden würde.
Kurz nachdem sie diese beruhigende Nachricht erhalten hatte, war Amber nach Südfrankreich aufgebrochen, um wieder zu sich selbst zu finden. Zu Frühjahrsbeginn war es hier natürlich noch nicht besonders warm, aber alles war besser als London, wo jede Straße, jedes Restaurant sie an den Mann erinnerte, den sie immer noch liebte, aber schnellstens vergessen wollte. Freunde und Bekannte hatten ihr erklärt, dass man an gebrochenem Herzen nicht sterben würde. Ganz im Gegenteil, Liebeskummer sei eine wichtige Erfahrung, aus der man als gestärkte Persönlichkeit hervorgehe.
Amber glaubte es, weil sie es glauben wollte. Denn das war das Einzige, was ihrem Leben im Moment Perspektive gab: die Hoffnung, dass sie Finn eines Tages nicht mehr vermissen und wieder fähig sein würde, Lebensfreude zu spüren. Für die folgende Woche hatte sie sich vorgenommen, konkrete Pläne für die Zukunft zu machen. Eine Zukunft, von der sie nur wusste, dass eine weitere Karriere als Model keinen Platz darin hatte …
„Mademoiselle?“
Monsieur Joseph betrat den Frühstücksraum. Er war der Besitzer des Hotels Plan-du-Var, das ihr Ursulas Boss Ross Sheridan empfohlen hatte. Es war ein kleines Hotel mit ausgeprägt familiärem Charakter, das am Ufer der Var hoch in den Bergen über Nizza lag. Da um diese Jahreszeit kaum Touristen in Plan-du-Var weilten, war
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