Julia Festival Band 0105
vergangen.“
„Schade, dann wirst du mir wohl beim Essen zusehen müssen. Eins würde ich gern wissen, Cally: Stößt dich der Gedanke an Sex allgemein ab oder nur die Vorstellung, mit mir zu schlafen?“
Cally senkte den Blick. „Ich bin dir weggelaufen. Das erklärt doch alles, oder?“
„Nein, mein Schatz, deine Gefühle sind mir nach wie vor ein Rätsel.“ Ironisch lächelnd hob er sein Bierglas. „Auf die Ehe“, sagte er und nahm einen tiefen Zug.
Als das Essen schließlich in Steinguttöpfen serviert wurde, lief Cally das Wasser im Mund zusammen. Die Aufläufe, die mit einer goldbraunen Kruste bedeckt waren, dufteten köstlich. Die Kellnerinnen servierten Gemüse dazu, das sie auf Callys und Nicks Teller füllten.
Es hat ja keinen Sinn, mich zu Tode zu hungern, dachte Cally und aß mit großem Appetit, was Nick zwar bemerkte, jedoch unkommentiert ließ – entgegen ihrer Befürchtung.
„Wie seht es mit Nachtisch aus?“, fragte er schließlich, als ihre Teller leer waren.
„Nur einen Kaffee für mich, bitte. Schwarz, ohne Zucker.“
„Für mich auch.“ Nick lächelte der Bedienung zu, die den Tisch abräumte, und bückte sich hilfsbereit nach den Bestecken, die das Mädchen – geblendet von so viel Charme – ins Gras hatte fallen lassen.
„Die Ärmste“, sagte Cally, als die Kellnerin auf dem Rückweg zur Küche war. „Deine Ausstrahlung haut offenbar jede Frau um.“
„Leider scheint sie bei dir nicht zu wirken, Liebling“, gab Nick schlagfertig zurück.
O doch, dachte Cally. Wieso hätte sie sonst seinen Heiratsantrag angenommen – wider besseres Wissen? Sein Charme, sein Lächeln, seine Küsse und Liebkosungen hatten sie völlig überwältigt und nach mehr verlangen lassen.
„Du erregst selbst ziemlich viel Aufmerksamkeit.“ Nick lenkte sie von ihrem Tagtraum ab. „Das ist auch kein Wunder. In dem Kleid wirkst du wie ein Sonnenstrahl.“
Verlegen senkte Cally den Blick. „Sag so etwas bitte nicht.“
„Darf ich dir nicht einmal ein kleines Kompliment machen?“
„Nein, das gehört nicht zu unserer Abmachung.“
„Trotzdem ist es wahr. Sieh dich doch mal um, wenn du mir nicht glaubst. Du ziehst alle Blicke auf dich.“
„Unsinn. Die Leute gucken nur, weil sie nicht verstehen, was jemand wie ich mit jemandem wie dir zu tun haben könnte. Das weißt du ganz genau.“
„Gar nichts weiß ich. Sag mal, warum machst du dich so klein, Cally?“
„Vermutlich, weil ich meine Grenzen kenne. Deren bin ich mir schon früh bewusst geworden.“
„Wahrscheinlich hat dein Großvater sie dir aufgezeigt“, sagte Nick unmutig.
„Ihn trifft keine Schuld. Er hat sich immer einen Enkel gewünscht. Da er den nicht bekommen hat, wollte er wenigstens eine Enkelin, die seiner geliebten verstorbenen Tochter ähnelte – schön, lebhaft und charismatisch. Ich fürchte, ich habe seine Erwartungen enttäuscht.“
„Du liebe Zeit!“ Nick schien ein Licht aufzugehen.
Cally atmete tief durch. „An meine Mutter konnte keiner heranreichen. Sie und mein Vater haben einander vergöttert. In gewisser Weise war es ein Glück, dass sie bei dem Unfall beide ums Leben gekommen sind, denn einer hätte ohne den anderen nicht überlebt.“
„Aber du warst doch da“, gab Nick leise zu bedenken.
„Ja, und mein Großvater hat mich bei sich aufgenommen. Wir haben beide getrauert, doch wir konnten einander nicht trösten. Trotzdem hat er mich lieb gehabt – jedenfalls glaube ich das. Er hat gewollt, dass sich jemand um mich kümmert, wenn er einmal nicht mehr da wäre. Jemand, der mir die finanzielle Sicherheit bieten konnte, die er am Ende nicht mehr hatte“, fügte Cally mit bebender Stimme hinzu.
„Und das war ich.“ Nick sprach aus, was sie verschwiegen hatte.
„Großvaters letzter Coup.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Er wollte mich für die Zukunft absichern und hat dich auf dem Silbertablett serviert. Dabei ist es ihm vorübergehend sogar gelungen, mir einzureden, dass das auch mein Wunsch wäre.“
„Und dann hat Aschenputtel den Schuh anprobiert und gemerkt, dass er nicht passt“, sagte Nick leise. „Arme Cally.“
„Das macht nichts. Ich werde den Schuh ja nicht lange tragen. Du brauchst mich also nicht zu bemitleiden. Egal, wozu du mich zwingst, ich werde es schon überleben.“ Sie wandte sich ab und blickte starr auf den Fluss.
Im gleißenden Sonnenschein schimmerte das Wasser gold-grün, im Schatten der Weiden, die den Fluss säumten, wirkte das Wasser dunkler.
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