Julia Festival Band 0105
Fahrt verlief schweigend. Cally wurde immer nervöser und fühlte sich gefangen. Verzweifelt versuchte sie, sich zu entspannen, schmiegte sich in den Sitz und schloss die Augen. Bilder aus der Vergangenheit tauchten vor ihrem geistigen Auge auf.
Ihnen ist doch bewusst, dass sie unbefugt meinen Grund und Boden betreten haben, oder?“
Sie hatte auf ihrem Pferd gesessen und den hochgewachsenen jungen Mann, der ihr den Weg verstellt hatte, schuldbewusst angesehen. „Ich wollte nur die Abkürzung durch den Wald nehmen. Sir Ranald hat das nie etwas ausgemacht.“
„Leider kann Sir Ranald das nicht mehr bestätigen“, hatte der junge Mann geantwortet. „Ich will hier Tauben schießen. Was ist, wenn ich Sie oder Ihr Pferd getroffen hätte? Diese Abkürzung ist in Zukunft tabu für Sie, Schätzchen.“ Er hatte sie mit seinen silbergrauen Augen angesehen und den Blick über das feuchte Baumwollhemd, unter dem sich Callys Brüste abzeichneten, und die engen Jeans gleiten lassen, bevor er hinzugefügt hatte: „Das ist sicherer für Sie.“
Nach einem weiteren ausgiebigen Blick hatte er sich umgewandt und war so schnell verschwunden, wie er vor ihr aufgetaucht war.
Cally hatte ihm atemlos nachgesehen und sich schließlich geschworen, zukünftig um den Grund und Boden von Wylstone und seinen neuen Besitzer einen großenBogen zu machen.
Daran hatte sie sich auch gehalten.
Dann war sie eines Tages vom Einkaufen nach Hause gekommen und hatte ihren Großvater mit einem Besucher im Salon vorgefunden.
„Komm rein, meine Liebe“, hatte Robert Naylor gerufen, als er sie gehört hatte. „Ich glaube, Sie kennen meine Enkelin Caroline noch nicht, Tempest. Cally, das ist der Cousin des armen Ranald, Sir Nicholas Tempest. Er wird in Wylstone wohnen. An den Gerüchten war also nichts dran. Wir werden neue Nachbarn bekommen.“
„Nein, offiziell sind wir einander noch nicht vorgestellt worden.“ Nicholas Tempest lächelte amüsiert, als er ihr die Hand schüttelte. „Ich bin hier, um Ihren Großvater nächste Woche zum Essen einzuladen.“ Er hielt noch immer ihre Hand. „Ich hoffe sehr, dass Sie ihn begleiten werden.“
„Natürlich kommt sie mit“, sagte Robert energisch. „Das Leben hier muss ziemlich langweilig für sie sein. Sie hat ja nur mich alten Kauz.“
Nicholas Tempest hatte die Brauen hochgezogen. „Dann müssen wir ihr wohl etwas Abwechslung bieten“, sagte er leise.
Cally hatte sich eilig aus seinem Griff befreit und gemurmelt, sie müsse die Einkäufe in den Kühlschrank legen, dann war sie in die Küche geflüchtet. Doch auch dort meinte sie noch immer die Berührung seiner Hand zu spüren. Das machte ihr Angst.
So hatte damals alles angefangen. Immer wieder waren sie sich bei Einladungen zum Abendessen oder auf Partys in der Nachbarschaft begegnet. Außerdem hatte er ihren Großvater regelmäßig besucht. Die Gründe dafür waren ihr zunächst verborgen geblieben. Gelegentlich trafen sie sich beim Reiten. Sein eleganter brauner Wallach war ein ganz anderes Kaliber als ihr sanfter, alternder Baz.
Nur bei den gemeinsamen Ausritten waren sie unter sich geblieben. Sie hatten sich über allgemeine Themen unterhalten, und Cally war sich bewusst gewesen, dass Nick sie auf Abstand hielt. Er hatte nämlich nie wieder versucht, sie zu berühren.
Und dann war sie sich bewusst geworden, dass sie hoffte, ihm zu begegnen. Sie hatte sich seltsam verloren gefühlt, wenn er geschäftlich unterwegs gewesen war, und war glücklich gewesen, wenn sie hörte, dass er wieder zurück war.
Die Besuche auf Wylstone Hall hatten ihr nicht sehr gefallen, zumal Sr. Ranalds Witwe Adele noch dort residiert hatte – als Nicks Tischdame. Cally hatte sich unter dem verächtlichen Blick von Adeles veilchenblauen Augen unwohl gefühlt. Und die spitzen Bemerkungen der Witwe hatten sie verunsichert.
„Es missfällt ihr, Witwe zu sein“, hatte Robert Naylor bei einem der Besuche mal zu Cally gesagt und abfällig gelacht. „Sie sagt, es würde sie alt machen. Nicholas sollte sie ins Witwenhaus abschieben, und zwar schnell, bevor die Leute anfangen, sich die Münder zu zerreißen. Durch ihre Trauerkleidung lässt sich niemand täuschen. Ich wette, sie weint dem armen Ranald keine Träne nach. Keine Ahnung, wo er Adele gefunden hat, jedenfalls denkt sie gar nicht daran, dorthin zurückzukehren. Wahrscheinlich spekuliert sie darauf, noch einmal Lady Tempest zu werden.“
„Du meinst, Sir Nicholas könnte sie heiraten?“ Cally
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