Julia Festival Band 0105
den Atem. Was machte Nick überhaupt heute in Clayminster? Ihr hatte er erzählt, er würde nach Wellingford fahren, um nachzusehen, welche Fortschritte das Projekt in Gunners Wharf machte. Allerdings hatte er es abgelehnt, sie mitzunehmen.
„Soll ich jemanden von dir grüßen?“, hatte er beim Frühstück gefragt.
„Ja“, hatte Cally kühl geantwortet. „Tracy, falls du sie siehst.“
War Vanessa mitgefahren? Oder hatte er seine Pläne geändert, weil seine Geliebte ihn brauchte?
Cally schwankte, lehnte sich an ein Schaufenster und versuchte, sich wieder zu fangen. Was sie eben gesehen hatte, war ihr nicht neu. Also gab es auch keinen Grund, sich aufzuregen. So versuchte sie, sich zu beruhigen.
„Caroline? Cally, meine Liebe, ist dir nicht gut?“ Cecily Tempest stand plötzlich vor ihr und musterte sie besorgt.
Am liebsten hätte Cally ihrer Schwiegermutter das Herz ausgeschüttet, doch sie hatte Nick ja versprochen, Vanessa mit keinem Wort zu erwähnen. Daher lächelte sie nur tapfer und sagte: „Du hast ganz recht. Es ist wirklich furchtbar heiß.“
„Dann lass uns nach Hause fahren“, schlug Cecily resolut vor. „Margaret wird sicher einen Salat für uns machen können.“
Cally war froh, kurz darauf von Cecily nach Hause gefahren zu werden. Erschöpft lehnte sie sich zurück und schloss die Augen.
Als sie auf der Landstrasse waren, fragte Cecily ihre Schwiegertochter schließlich, was eigentlich los wäre.
„Ich weiß nicht, was du meinst“, behauptete Cally und setzte sich auf.
„Mir kannst du nichts vormachen, Liebes. Du bist jung, du bist verliebt, du erwartest dein erstes Kind. Das Leben sollte wunderbar sein. Stattdessen benimmst du dich betont fröhlich, damit alle glauben, dass du glücklich bist. Und wenn Nick sich unbeobachtet glaubt, sieht er aus, als wäre sein Leben ein einziger Albtraum.“
„Vielleicht hat er geschäftliche Schwierigkeiten.“
„Unsinn. Seine Firmen bringen ihm Millionen ein. Selbst wenn er sich heute zur Ruhe setzen würde, wäre er immer noch ein sehr reicher Mann. Warum arbeitet er wie ein Verrückter, wenn er es sich leisten könnte, mehr Zeit mit dir zu verbringen?“
„Ich weiß es nicht.“ Cally zuckte die Schultern. „Darüber haben wir nie gesprochen.“
„Ihr redet überhaupt wenig miteinander.“ Nach kurzem Schweigen fügte Cecily behutsam hinzu: „Ich weiß, dass du das erste Jahr eurer Ehe ohne Nick verbracht hast, Cally. Eigentlich darf ich das gar nicht wissen, aber Nicks Patenonkel, der ein guter Freund ist, hat mir einen besorgten Brief geschrieben. Als ich dann hier eintraf und dich auf dem Landsitz vorfand, habe ich erst mal nichts gesagt, weil ich dachte, alles wäre wieder in Ordnung. Aber darin habe ich mich offensichtlich getäuscht. Die Spannungen zwischen euch sind deutlich spürbar. Ich habe den Eindruck, dass es demnächst zum großen Knall kommen wird.“
„Nick ist viel zu gut erzogen, sich zu streiten“, behauptete Cally.
„Wenn du dich da mal nicht täuschst. Aber ich will nicht weiter in dich dringen, Liebes. Ich verstehe nur nicht, dass Nick nichts unternimmt, um eure Beziehung zu retten. Als er merkte, was für eine Ehe sein Vater und ich führten, war er entsetzt und hat sich geschworen, nur zu heiraten, wenn er seine Frau überglücklich machen kann. Das könnte er, aber offensichtlich tut er es nicht. Wenn ich nur wüsste, warum das so ist.“
Cally blickte starr aus dem Fenster. Wenn du wüsstest, dachte sie.
Als sie kurz darauf vor dem Herrenhaus anhielten, entschuldigte Cally sich und flüchtete in ihr Schlafzimmer.
Da sie auch dort nicht zur Ruhe kam, duschte sie schließlich, schlüpfte in ein luftiges türkisfarbenes Sommerkleid mit langer Knopfleiste, das sie wenige Stunden zuvor gekauft hatte, und ging ins Esszimmer, wo Brathähnchen und Kartoffelsalat für sie bereitstanden. Sie füllte sich einen Teller auf und setzte sich an einen von einem Sonnenschirm beschatteten Tisch auf der Terrasse. Die anderen Hausbewohner schienen ausgeflogen zu sein.
Das Baby braucht regelmäßige Mahlzeiten, dachte Cally, als sie sich eine Schale Erdbeeren zum Nachtisch holte. Die hatte sie kaum verspeist, als Adele über den Rasen geschlendert kam.
„Hallo.“ Mit einem breitkrempigen Hut fächerte Adele sich Luft zu. „Ganz allein?“
„Wie du siehst“, antwortete Cally kurz angebunden.
„Wie ich sehe, hast du ganz schön zugenommen. Du solltest aufpassen, sonst wirst du noch so dick wie eine
Weitere Kostenlose Bücher