Julia Festival Band 05
nicht älter als dreißig, atemberaubend schön, in einem schwarzen Hosenanzug und cremefarbener Bluse, verließ gerade schnellen Schrittes einen Fahrstuhl. Mit entschlossener Miene marschierte sie den mit Teppichboden belegten Korridor entlang und klopfte energisch an eine Eichentür am Ende des Korridors.
„Sie sieht ziemlich wütend aus“, murmelte Faith.
Mrs. Heavenly sah sie gelassen an. „Das ist sie eindeutig“, meinte sie leichthin.
„Aber warum? Du meine Güte, was ist denn das?“, keuchte Faith, als die Eichentür aufschwang und ein Mann heraustrat. Er war fast so schön wie Gabriel.
Oder Luzifer, korrigierte sie sich gleich darauf. Sein Haar war pechschwarz, seine Augen von einem dunklen Braun, sodass sie kaum die Pupillen erkennen konnte. Und was sein Aussehen betraf – es gab nur eine Bezeichnung dafür: teuflisch attraktiv!
„Ihr Mann?“, erkundigte sich Faith atemlos.
„Wohl kaum.“ Mrs. Heavenly lächelte. „Hör einfach einmal zu.“
„Miss Hardy …“, grüßte der Mann trocken. „Was verschafft mir das unerwartete Vergnügen?“
Olivia ignorierte den spöttischen Unterton und blickte ihn ruhig an. Ethan Sherbourne wohnte seit über einem Jahr in der Wohnung über ihr. Aber bis auf einen kurzen Gruß im Fahrstuhl, wenn sie sich dort zufällig trafen, hielt Olivia bewusst Abstand zu ihm. Schließlich herrschte ein ständiges Kommen und Gehen in seinem Apartment, und die Besucher waren fast ausnahmslos Frauen!
Leider hatten gewisse Umstände dafür gesorgt, dass sie doch Kontakt zu ihm aufnehmen musste. An ihn adressierte Briefe lagen in ihrem Briefkasten. In den Weihnachtstagen war das schon einige Male vorgekommen.
„Dies gehört Ihnen, glaube ich.“ Sie hielt ein zartrosa Kuvert hoch.
Ethan Sherbourne zog die dunklen Augenbrauen zusammen, streckte die Hand aus und nahm den Umschlag. Dann warf er einen Blick auf die Adresse, hielt den Umschlag an die Nase und roch daran.
„Gwendoline“, verkündete er.
Olivia unterdrückte einen leichten Schauer. „Ich wusste gar nicht, dass Frauen so etwas heutzutage noch machen“, bemerkte sie spitz.
Außerdem war es ihr vollkommen schleierhaft, wieso Mr. Pulman, der Hausmeister des exklusiven Apartmenthauses, gedacht hatte, sie würde einen parfümierten Weihnachtsgruß bekommen!
Ethan Sherbourne grinste jungenhaft. „Nur gewisse Frauen“, meinte er lässig.
Nur die blöden, dachte Olivia bei sich. Aber sie war sicher, Ethan Sherbourne interessierte sich nicht die Bohne für ihre Meinung. Sie war nicht groß, gertenschlank oder jung – so wie die meisten der Frauen, die ihm in offensichtlich endloser Folge Gesellschaft leisteten.
Sie neigte kühl den Kopf. „Ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie den Umschlag öffnen können …“ Stirnrunzelnd unterbrach sie sich, weil die Fahrstuhltür aufglitt und sie ein Baby weinen hörte. Dem Klang nach zu urteilen musste es ein sehr kleines Baby sein.
Sie wandte sich um und sah, dass eine junge Frau mit verkniffenem Gesicht auf Ethan Sherbournes Apartment zustrebte.
Sein Lächeln war plötzlich wie weggewischt. „Shelley …?“ Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn.
Die hoch gewachsene, langbeinige Blondine, kaum selbst mehr als ein Kind, lächelte ihn humorlos an, das schreiende Baby fest im Griff. „Ich bin überrascht, dass du dich noch an mich erinnerst“, fauchte sie. „In Anbetracht unserer kurzen Bekanntschaft!“
„Natürlich erinnere ich mich“, gab Ethan Sherbourne ungerührt zurück und warf einen zögernden Blick auf das wimmernde Bündel in den Armen der jungen Frau. „Und das ist …?“
Olivia war ein paar Schritte zur Seite gewichen und hörte jetzt unfreiwillig, aber dennoch fasziniert zu.
Die junge Frau, bei näherem Hinsehen schätzte sie sie nicht älter als Anfang zwanzig, starrte mit einer Mischung aus mütterlicher Liebe und reinem Entsetzen auf das Baby.
„Hier.“ Sie drückte ihm das Kind in die gar nicht bereitwilligen Arme.
Das Schreien erstarb auf der Stelle, wurde allerdings gefolgt von einem erbarmenswerten Schluckauf.
„Sie bevorzugt dich anscheinend sowieso“, sagte die junge Frau mit erstickter Stimme – als hätte das das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. „Sie heißt Andrea. Alles, was sie braucht, befindet sich hier drinnen.“ Sie riss sich eine Reisetasche von der Schulter und ließ sie auf den Fußboden fallen. „In ungefähr einer Stunde muss sie gefüttert werden. Ich kann einfach nicht mehr …“
Mit
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