JULIA FESTIVAL Band 76
dir davonfahre?“
„So habe ich es nicht gemeint. Ich will etwas für dich tun. Dich aufs College schicken und dir das Studium bezahlen. Du verdienst einen Neuanfang.“
„Mich aufs College schicken? Das Studium bezahlen? Was bin ich für dich, die gute Tat des Monats?“, fuhr sie ihn entrüstet an. „Was sollte ich denn sein? Deine Geliebte? Deine Tochter? Ein Straßenkind, das man bei sich aufnimmt? Ich will deine Wiedergutmachung nicht! Ich brauche deine Hilfe nicht!“
„Ich wollte …“
„Du wolltest! Jetzt hör mir mal zu. Seit du wieder hier bist, schwimmst du im Selbstmitleid. Aber ich bin die, die vergewaltigt wurde, die schwanger wurde und das Kind verlor. Ich bin darüber hinweg, Chase. Ich bin nicht kaputt. Mich brauchst du nicht zu reparieren. Lass die Vergangenheit endlich ruhen!“
„Ich lebe nicht in der Vergangenheit“, protestierte er.
„O doch! Du hast erst vor zwei Wochen von der Vergewaltigung erfahren. Für dich ist sie frisch und tragisch, und jetzt glaubst du, den edlen Ritter spielen zu müssen. Aber das tust du allein deinetwegen. Mir hilft es nicht.“
„Aber ich will …“
„Es ist lange her. Ich habe es überwunden, auch wenn ich es nie vergessen kann. Ich verlor damals alles. Meine Jugend, mein Baby, meine Zukunft. Und dich.“
Eine einzelne Träne rann ihr über das Gesicht, und Chase wischte sie mit dem Daumen ab.
Jenny hielt seine Hand fest und küsste die schwielige Haut.
„Du solltest mein erster Mann werden“, flüsterte sie. „Und ich deine erste Frau. Wir hätten Liebe und Leidenschaft zusammen entdecken können …“
„Jenny.“ Er zog sie an sich.
„Aber du bist gegangen.“
„Ich dachte, du hättest mich betrogen.“
„Du bist davongelaufen. Du tust es immer noch. Jetzt läufst du vor deiner Verantwortung für das Werk und diese Stadt davon. Du bist immer den Weg des geringsten Widerstands gegangen, Chase. Stell dich endlich einmal einem Problem und kämpfe um das, was du für richtig hältst.“
„Die Schließung des Werks ist die einzige Lösung“, beharrte er.
„Nein. Es muss eine andere geben. Wenn ich dir je etwas bedeutet habe, finde eine andere Lösung“, flehte sie.
„Wenn ich das Werk nicht schließe, gehst du dann mit mir von hier fort?“
„Hast du mir nicht zugehört?“
Er ging zur Verandatreppe. „Vielleicht bin ich damals davongelaufen. Aber du solltest dich fragen, warum du unbedingt in Harrisville bleiben willst. Wovor versteckst du dich? Wovor hast du solche Angst? Du hast gesagt, ich brauche dich nicht zu reparieren, weil du nicht kaputt bist. Vielleicht wagst du nur nicht, genau genug hinzusehen.“
11. KAPITEL
Es war fast Mitternacht, als Chase vor dem Haus der Davidsons hielt. Er musste zweimal klopfen, bevor aufgemacht wurde.
„Sie haben vielleicht Nerven“, sagte Frank Davidson.
„Ich möchte mit Ihnen reden. Kann ich hereinkommen?“
„Nein.“
Mrs. Davidson erschien hinter ihrem Mann. „Lass ihn herein, Frank.“
Davidson trat zur Seite. Chase trat ein und blieb neben der Couch stehen.
„Setzen Sie sich.“
„Danke.“
„Für einen Höflichkeitsbesuch ist es zu spät. Sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und dann verschwinden Sie.“
Chase wischte sich die Handflächen an den Jeans ab. „Ich habe beschlossen, das Werk zu verkaufen.“
„Das bringt uns nichts.“ Davidson sah zu Boden. „Jeder Käufer würde die Firma plündern und die Maschinen und Öfen als Altmetall zu Geld machen. Die Arbeitsplätze erhält ein Verkauf nicht.“ Er blickte Chase an. „Ich weiß die Geste zu schätzen, aber sie hilft uns nicht.“
Chase lächelte. „Nicht so schnell. Es gib einen Käufer, der das Werk am Leben lassen würde.“
„Wer?“
„Sie.“
„Was?“
„Sie und die Gewerkschaft. Die Arbeiter.“
Frank stieß einen Pfiff aus. „Wir haben nicht genug Geld.“
„Ich will beim Verkauf nichts verdienen. Und ich werde mit dem Privatvermögen meines Vaters eine Stiftung einrichten, mit deren Hilfe die Gewerkschaft das Unternehmen kaufen kann. Ich will sein Geld nicht.“
„Hat Ihr Angebot etwas mit meiner Tochter zu tun?“
„Nein.“
„Was ist zwischen Ihnen und ihr geschehen?“
„Sie war von dem Vorschlag wegzuziehen nicht gerade begeistert.“
Frank lächelte. „Ihr Angebot ist wirklich ernst gemeint?“
„Ja. Ich habe die Berechnungen im Wagen. Wie gesagt, ich will nicht reich werden.“
Frank begleitete ihn zur Tür. „Ich rufe den Buchhalter der Gewerkschaft an
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