JULIA FESTIVAL Band 78
gekommen war, beobachtete Rowena, wie über den Türen die Stockwerkzahlen aufleuchteten. Sie fuhren in die oberste Etage, „Simons Horst“, wie Phil sie nannte. Gleich würde sich zeigen, warum.
„Warum tust du das für mich, Simon?“ Sofort bereute Rowena die Frage. Sie war unerheblich und wirklich dumm, denn durch sie wurde die Situation auf eine persönliche Grundlage gestellt, und sie hatte doch um jeden Preis vermeiden wollen, dass Simon Delahunty es so sah. Aber einen Moment lang war ihre Vernunft etwas anderem gewichen … vielleicht dem Wunsch, von jemandem getröstet zu werden, der sich um sie sorgte. Simon dachte aber wohl nur daran, eine möglicherweise peinliche Szene im Großraumbüro zu verhindern, die zu noch mehr Klatsch führen und seine Angestellten von der Arbeit abhalten würde.
Simon blickte Rowena ernst und eindringlich an. „Wir sind lange Freunde gewesen. Ich erinnere mich daran, auch wenn du es nicht tun willst.“
Freunde … und schließlich Liebende. Erinnerte er sich daran? Oder war die Nacht vor Benedicts Tod durch die Gehirnerschütterung, die er bei dem Unfall erlitten hatte, seinem Gedächtnis entfallen? Als sie Simon damals im Krankenhaus besucht hatte, hatte Rowena nicht davon gesprochen. Sie hatten beide einen Schock erlitten. Jetzt fragte Rowena sich, was in dem Brief stand, den sie nicht bekommen hatte.
Sie sah Simon forschend an, entdeckte in seiner Miene jedoch keinen Hinweis darauf, dass er in diesem Moment auch an ihre gemeinsame Nacht dachte. Vielleicht wusste er es tatsächlich nicht mehr und war deshalb nie zu ihr zurückgekehrt. Dann war sie für ihn einfach nur Benedicts jüngere Schwester, die als Schulmädchen für ihn geschwärmt hatte.
Der Aufzug hielt, und die Türen gingen auf. Simon ließ ihr den Vortritt. Höflichkeit. Rücksichtnahme. Ein Freund. Simon war während der ganzen Schulzeit und während des gemeinsamen Studiums Benedicts Freund gewesen. Für sie war er wie ein Bruder gewesen, bis … Nein, darüber durfte sie nicht nachdenken. Sie musste sich auf Phil und die bevorstehende Begegnung mit Adriana Leigh konzentrieren.
Rowena war sich Simons Nähe allzu deutlich bewusst, während er sie sie zu seinem Büro führte. Ein Freund. Sie brauchte einen Freund. Es war so schwer, so furchtbar schwer, allein dazustehen.
2. KAPITEL
Simons Büro war ein architektonisches Wunder. Die Außenwand aus großen, massiven Glasquadern war schräg nach oben gezogen und erstreckte sich über das halbe Dach, so dass der Raum von natürlichem Licht durchflutet war.
Auf einer Seite befand sich Simons Arbeitsplatz: Schreibtisch, Computer, Archiv und mehrere große Zeichenbretter auf verstellbaren Stativen. Mit solchen Zeichenbrettern war Rowena vertraut. Ihr Bruder, Benedict, hatte eins besessen. Sie dachte daran, wie ihr Vater es beseitigt hatte. Alles, was Benedict mit Simon Delahunty verband, hatten ihre Eltern aus dem Haus entfernt – Fotos, Bücher, Postkarten, Vorlesungsnotizen.
Danach waren die Beileidskarten und – briefe, die bei ihrer Mutter ein Trauma ausgelöst hatten, verbrannt worden. Auch Simons Brief aus Kalifornien? In jenen freudlosen Monaten nach Benedicts Tod hatte bei ihnen zu Hause nicht einmal Simons Name erwähnt werden dürfen.
Rowena kamen die Tränen, und sie wandte sich schnell zu den Regalen an der Innenwand um und betrachtete die Modelle von Gebäuden, die Simon entworfen hatte. Die Ausstellung war ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, was Simon ohne Hilfe erreicht hatte, und Rowena fragte sich, ob für ihn die Arbeit das Wichtigste im Leben war und er deshalb nicht geheiratet hatte. Bei dynamischen Karrieretypen schien die Ehe nicht sehr beliebt zu sein. Flüchtige Beziehungen, schnell eingegangen und schnell beendet, passten wahrscheinlich besser zum Lebensstil solcher Leute.
Wie anders das Leben von ihnen allen vielleicht verlaufen wäre, wenn Benedict damals nicht gestorben wäre. Er und Simon Partner in dem Unternehmen, das sie gemeinsam hatten gründen wollen … sie, Rowena, und Simon … Aber daraus wäre möglicherweise sowieso nichts geworden. Träume wurden nicht immer wahr.
Simons Arbeitsplatz gegenüber stand ein runder Tisch mit körpergerecht geformten lederbezogenen Drehstühlen. Nachdem er Rowena aufgefordert hatte, dort Platz zu nehmen, entschuldigte sich Simon. Er wollte mit seiner Sekretärin sprechen, an deren Büro sie vorbeigegangen waren.
Froh über die Gelegenheit, eine Weile allein zu sein und sich wieder
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