JULIA FESTIVAL Band 78
sie.
„Ich habe aus dem Krankenhaus in Kalifornien geschrieben. Du hast nicht geantwortet.“
Rowena schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Brief bekommen.“
„Ich dachte … Ich habe angenommen …“ Simon runzelte die Stirn.
„Das spielt jetzt keine Rolle mehr, stimmt’s?“ Es war doch völlig sinnlos, nachträglich darüber zu reden, was hätte sein können. Wäre sie ihm wirklich wichtig gewesen, hätte Simon noch einmal geschrieben oder sie aufgesucht, als er geheilt nach Hause zurückgekehrt war und wieder ein normales Leben geführt hatte. Die Vergangenheit war abgeschlossen. Sie, Rowena, hatte das Leid jener Zeit verdrängt und wusste, dass sie nicht damit fertig würde, wenn sie sich jetzt noch einmal damit beschäftigte. Sie musste sich mit der Gegenwart befassen, und Simon hielt sie ohne vernünftigen Grund auf.
„Ich möchte zum Empfang. Würdest du bitte den Knopf drücken?“ Rowena lächelte, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen.
Resigniert wandte er sich der Schalttafel zu und hob die Hand, zögerte jedoch plötzlich unerklärlicherweise und drückte schließlich nicht den Knopf für „Empfang“, sondern den für „Türen schließen“. Dann sah er Rowena an und fragte: „Zu wem willst du? Ich kenne alle meine Angestellten und weiß, in welchen Abteilungen sie arbeiten. Du brauchst nicht erst zum Empfang. Ich sage dir, in welches Stockwerk du musst.“
Es klang freundlich und hilfsbereit, aber Rowena war so entsetzt, dass sie auf der Stelle sterben wollte. Am liebsten hätte sie erwidert, es gehe ihn nichts an, doch seine entschlossene Miene verriet ihr, dass sie damit nicht durchkommen würde. Natürlich, er war der Boss. Alles, was in diesem Gebäude passierte, ging ihn etwas an.
Das Schicksal hatte ihr einen bösen Streich gespielt, als sie Simon in der Tiefgarage begegnet war. Jetzt saß sie in der Aufzugkabine mit ihm fest, und er wartete auf ihre Antwort.
Während Rowena verzweifelt überlegte, wie sie ihren Besuch erklären konnte, ohne Simon die Wahrheit zu sagen, gelangte sie plötzlich zu der Überzeugung, dass er wusste, warum sie gekommen war und was sie vorhatte.
Vielleicht hatten Phil und diese Frau ihre Affäre überhaupt nicht geheim gehalten, und jeder im Gebäude wusste davon. Bei dem Gedanken schauderte Rowena, aber dann gewann ihr Stolz die Oberhand über ihre tiefe Niedergeschlagenheit und das Gefühl, gedemütigt worden zu sein. Stolz und ein unbändiger Wille, um das seelische Wohl ihrer Kinder zu kämpfen.
Sie hatte nichts Unrechtes getan. Was andere Leute dachten, war unwichtig, wenn so viel auf dem Spiel stand.
Rowena schaute den Mann, der die Macht hatte, sie aufzuhalten, beschwörend an. „Ich bin hier, um mit Adriana Leigh zu sprechen.“
Mehrere spannungsgeladene Sekunden lang erwiderte Simon ihren Blick, dann nickte er. „Adriana arbeitet in einem Großraumbüro, Rowena“, sagte er freundlich. „Du würdest doch sicher ein Gespräch unter vier Augen vorziehen.“
Bei der Vorstellung, Zuhörer zu haben, verlor Rowena den Mut. „Ja, natürlich, aber ich habe wohl keine große Wahl.“
„Darf ich vorschlagen, dass du mein Büro benutzt? Ich lasse Adriana nach oben kommen und garantiere dir, dass ihr beide ungestört bleibt, damit du vorbringen kannst, was immer du ihr sagen möchtest.“
Wieder errötete sie. Seine Anteilnahme für ihre missliche Lage war beschämend, doch seine Hilfe abzulehnen wäre völlig sinnlos gewesen. „Wissen es alle?“ Die peinliche Frage rutschte Rowena heraus.
„Es hat sich herumgesprochen.“
Rowena schloss die Augen. „Wie lange … wie lange geht das schon?“
„Ich weiß nicht.“ Simon zögerte, dann sagte er leise: „Über drei Monate.“
Vor drei Monaten hatte Phil den Sportwagen gekauft. Die Verzweiflung der vergangenen Nacht überkam Rowena erneut. Aber sie war gekommen, um ihre Ehe zu retten, die vielleicht noch nicht völlig gescheitert war. Sie musste es versuchen, und sie würde es tun.
Rowena legte sich in Gedanken einen Schutzpanzer zu und öffnete die Augen.
Sorgsam darauf bedacht, gleichgültig zu erscheinen, wartete Simon auf ihre Entscheidung.
„Dein Angebot ist … sehr freundlich“, sagte Rowena mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte. „Danke, Simon. Ich nehme es an.“
Simon wandte sich zur Schalttafel um und drückte einen Knopf. Der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Bemüht, die Fassung zu bewahren und nichts an der Entschlossenheit einzubüßen, mit der sie
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