JULIA FESTIVAL Band 78
könnte. Mit den gewöhnlichen Geschäftsabläufen hat das nichts zu tun“, fügte sie schnell hinzu, darauf bedacht, nicht etwa so zu klingen, als wolle sie Scott Seton Kunden abspenstig machen. „Genauer gesagt, ich meine Kurierdienste. Dafür brauche ich unbedingt einen kühlbaren Lieferwagen.“
„Kühlbar? Wofür denn das?“, fragte er skeptisch. „Was wollen Sie denn transportieren? Fleisch, Eis … Leichen?“
„Pathologische Proben.“ Antonia genoss es, Scotts überraschtes Gesicht zu sehen. „Gewebeproben also, die während einer Operation schnellstens in die Laboratorien gebracht werden müssen. Wie ich bereits erwähnte, Mr. … äh … Scott, habe ich bedeutende Freunde. Ich könnte viele Geschäfte machen, wenn ich einen Kühltransporter hätte.“
Gedankenverloren sah Scott sie an.
Schließlich sagte er: „Gut, für eine Woche können Sie einen haben. Danach sehen wir weiter.“
„Einen Monat“, entgegnete sie. „Wir brauchen mindestens einen Monat, um vollständig einsatzfähig zu werden.“
„Nun gut, einen Monat. Sie müssen aber zustimmen, dass ich mir einmal wöchentlich die Umsätze anschaue.“
„In Ordnung!“
„Sie scheinen sehr optimistisch zu sein, dass nichts schiefgeht“, meinte er.
„Bin ich“, bestätigte sie.
„Also sind Sie nun zufrieden, Toni?“
„Ja, vor allem weil ich nun wieder eine Person auf meiner Liste abhaken kann. Bleiben noch zwanzig. Und stellen Sie sich vor, ich verabscheue Sie bei Weitem nicht mehr so sehr wie vorher.“
Scott lachte, nahm die Hände aus den Hosentaschen, löste sich vom Türrahmen und kam langsam zu Antonia zurück.
Antonia wurde wieder nervös. Instinktiv wusste sie, dass Scotts Lachen nichts Gutes bedeutete. Er hatte mehr Zugeständnisse gemacht als von ihr erwartet. Doch bedeutete das schon ihren Sieg? Sie hatte seltsamerweise das Gefühl, dass sie von Scott ausmanövriert worden war.
„Nun, liebe Toni, ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass ich Ihnen sehr entgegengekommen bin. Jetzt könnten Sie zur Abwechslung mal etwas für mich tun“, sagte er mit sanfter Stimme. Inzwischen stand er vor ihrem Schreibtisch. „Sie hatten recht, wir befinden uns permanent in einem Lernprozess, und ich bin mir ganz sicher, dass ich auch von Ihnen lernen kann. Schließlich haben Sie bereits eine Erfahrung gemacht, die mir noch fehlt.“
„Was wollen Sie denn damit andeuten?“, fragte Antonia misstrauisch.
„Na, Sie waren doch schon einmal verlobt.“
„Und?“ Irgendetwas hatte er vor. Auch wenn er unschuldig tat. Da war so ein winziges teuflisches Glitzern in seinen Augen. An seinem ganzen Benehmen war etwas faul.
„Ich möchte wissen, vor welchen Fehlern ich mich hüten muss, wenn ich mich verlobe.“
Also hat er sich für Jocelyn entschieden, dachte sie. Deshalb war er so kompromissbereit.
Antonia biss sich auf die Lippe. Würde er es schaffen, Robert Gilbert auszustechen? Ja, vermutlich. Gegen Scott Seton hatte der junge Arzt keine Chance. Es würde ihm nicht gelingen, Jocelyn für sich zu gewinnen, obwohl Scott Seton nur oberflächlich gesehen attraktiv war.
Scott ging um den Tisch herum und stellte sich direkt vor Antonia. „Sie haben sich einmal für den Falschen entschieden. Sagen Sie mir, worauf ich achten muss.“
„Ihnen soll es nicht ähnlich ergehen?“, frage sie spöttisch.
Scott zuckte die Achseln. „Natürlich nicht. Aber es ist immer ein Risiko. Egal, von welcher Seite man es betrachtet, sicher kann man nie sein – ähnlich wie bei einem Glücksspiel.“
Warum starrt er jetzt so auf meinen Mund?, fragte sie sich und spürte, wie sich ihr Pulsschlag erhöhte.
„Zumindest ist der Anfang – prozentual gesehen – ganz nach meinem Geschmack“, bemerkte er mit tiefer, nun fast zärtlich klingender Stimme.
Der Mann schafft es noch, mich völlig durcheinanderzubringen, dachte Antonia, und ihr wurde fast schwindlig. Sie blickte zu ihm auf und fragte: „Was heißt: ‚prozentual gesehen‘?“
Scott beugte sich zu ihr hinunter.
„Ich möchte, dass Sie mich küssen“, sagte er.
Das verschlug ihr beinah die Sprache.
„Wieso denn das?“, stieß Antonia hervor. Sie konnte es nicht fassen. Und – Himmel! – wie intensiv er sie mit diesen hypnotisierend wirkenden dunklen Augen ansah!
„Ach, das hilft mir nur, Sie besser einzuschätzen!“
Sie schnappte nach Luft. „Aber Sie werden doch Jocelyn heiraten!“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Und dann zog Scott Antonia an sich und
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