JULIA FESTIVAL Band 78
Urteil: „Zu zweiundneunzig Prozent hat es mir gefallen.“
„Zu zweiundneunzig Prozent?“ Sie empfand das als Frechheit, fand, sie hätte hundert Prozent verdient.
Scott grinste beinahe jungenhaft. „Ja, das ist eine ganze Menge. Wir sehen uns in der nächsten Woche, Toni. Dann werde ich die Umsatzzahlen Ihres Kurierdienstes prüfen.“
Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er das Büro verlassen. Am liebsten hätte sie Scott etwas nachgeschmissen. Der Umgang mit ihm war frustrierend!
Antonia riss sich zusammen. Sie sollte sich nicht allzu viele Gedanken darüber machen, was er von ihr hielt. Nein, das wäre nicht gut für ihre Selbstachtung.
Deshalb bemühte Antonia sich, an andere Dinge zu denken. Auf Scott Seton würde sie später zurückkommen. Er würde schon noch um ihre Gunst kämpfen, ja, sie würde ihn dazu bringen, dass er um ihre Gnade bettelte.
Und dann fiel ihr Jocelyn ein, und das Vorhaben zerplatzte wie eine Seifenblase. Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste Antonia nicht, was sie tun sollte.
‚Es ist doch aber nichts Schlimmes passiert …‘ Diese Worte Scotts gingen ihr mehrmals durch den Kopf.
Mit der für sie typischen Kraft und Entschlossenheit nahm sie seine Worte schließlich als ihre eigenen an, und endlich gelang es ihr auch, sich wieder der Arbeit zu widmen.
Sieben Personen waren also untergebracht. Ein stolzes Ergebnis! Was war dagegen schon ein Kuss? Sie, Antonia, hatte nicht vor, Jocelyn in die Quere zu kommen, und es kam einfach auf den Blickwinkel an, aus dem man die Dinge betrachtete.
Antonia griff beschwingt zum Telefonhörer und rief alle ehemaligen Mitarbeiter an, für die sie die gute Nachricht hatte, dass sie wieder eingestellt worden waren. Sechs Familien konnten nun beruhigter in die Zukunft blicken. Einem weiteren Betroffenen erzählte sie von der sehr wahrscheinlichen Arbeitsmöglichkeit als Fahrer in ihrem neuen Kurierdienst.
5. KAPITEL
Als sie so weit war, dass Antonia das Büro abschließen und nach Hause fahren konnte, hatte sie das Erlebnis mit Scott seelisch bereits fast verkraftet und verbreitete schon wieder die gewohnte Vitalität. Der Parkplatzwächter zeigte sich hoch erfreut, dass er Antonia helfen konnte, ihren Wagen wiederzufinden.
Sie besaß überhaupt keinen Orientierungssinn, was ihr jedoch nicht viel ausmachte, da sie immer Leute fand, die bereit waren, ihr zu helfen. Oft geschah es, dass freundliche Herren sie bis zu dem für Antonia unauffindbaren Ziel begleiteten. Ja, die meisten Männer verhielten sich entschieden humaner als Scott Seton!
Zweiundneunzig Prozent! Dieses in ihren Augen schlechte Ergebnis auf Scotts Bewertungsskala wurmte Antonia doch noch. Besonders weil … nein, sie wollte nicht darüber nachdenken. Es war nur … na ja, eben nur eine weitere lehrreiche Erfahrung gewesen und eigentlich völlig unwichtig. Sexuelle Gefühle konnten einen Menschen zu vielen Dingen verleiten, doch diese Empfindungen hielten nie lange an, verschwanden rasch wieder.
Nein, Sex war keine Basis für eine tiefe und langfristige Bindung. Und Scott Seton hatte ihr, Antonia, letztendlich nur bewiesen, welch berechnendes Wesen er besaß.
Tief in Gedanken versunken, hatte sie inzwischen den Wagen über die große Hafenbrücke von Sydney gelenkt und nun fast schon das Haus in Mosman erreicht. Als sie vor der schönen alten Villa hielt, bekam Antonia nachträglich einen kleinen Schreck, da sie sich der Fahrt durch die Stadt überhaupt nicht bewusst gewesen war.
Das Anwesen befand sich bereits seit drei Generationen im Besitz von Rays Familie und war wirklich beeindruckend. Die Villa lag auf einem riesigen Grundstück, und man hatte von vielen Punkten aus einen herrlichen Ausblick auf den Hafen von Sydney.
Frank Sheldon, Antonias Exverlobter, hatte öfter gesagt, dass Haus und Grundstück Millionen wert seien, doch Antonia hatte dabei leider nie auf den habgierigen Ausdruck in Franks Augen geachtet. Jetzt fragte sie sich, ob Robert Gilbert die Tatsache, dass Jocelyn aus einer reichen Familie stammte, wohl eher entmutigend fand. Wie hatte er noch gesagt? ‚Ich hätte nicht hier herkommen sollen‘. Würde die Tatsache, dass Jocelyn kein armes Mädchen war, ihn etwa daran hindern, sich weiterhin um sie zu bemühen?
Aber verdienen Ärzte nicht sehr viel Geld?, überlegte Antonia. Jedem Arzt, den sie kannte, schien es finanziell gut zu gehen. Zugegeben, Robert Gilbert war noch recht jung, aber sicher hatte er eine große Karriere vor sich.
Falls er
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