JULIA FESTIVAL Band 78
nicht, ihn unverzüglich in seine Schranken zu verweisen, würde aus dem in greifbarer Nähe liegenden Sieg nichts werden.
„Warum machen Sie das?“, fragte sie mit leicht schwankender Stimme.
Er schaute Antonia in die Augen und antwortete leise: „Es scheint mir die richtige Art, Lebewohl zu sagen.“
„Geben Sie etwa doch auf, Mr. Seton?“ Es sollte ironisch klingen, hörte sich aber ein bisschen schrill an.
„Manchmal nützt es nicht zu kämpfen, Miss Braden“, erwiderte er und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich endlich zum Gehen.
Unterschiedliche Gefühle beherrschten Antonia. Vor allem verspürte sie starkes Bedauern. Und das verwirrte sie sehr, weil sie doch eigentlich so sicher war, dass sie keinen persönlichen Kontakt mit Scott Seton wollte.
An der Tür drehte Scott sich um. „In Zukunft, Miss Braden, werde ich Sie Toni nennen. Nicht, weil wir Freunde sind, sondern …“ Er verstummte.
„Sondern? Warum denn dann?“, hakte Antonia nach. Sie verstand fast gar nichts mehr. Er hatte doch gerade Lebewohl gesagt, und nun sprach er über die Zukunft?
„Weil ich möchte, dass Sie ‚Scott‘ zu mir sagen“, antwortete er. Irgendwie wirkte er plötzlich amüsiert.
Antonias Verwirrung wuchs und wuchs. Was schlug er da vor? Ging es ihm doch um Freundschaft? Oder ging es ihm lediglich darum, ein harmonisches Verhältnis zu Jocelyns Angehörigen aufzubauen? Und warum nur hatte sie, Antonia, das vage Gefühl, als führe er auf einmal etwas ihr Unbegreifliches im Schilde?
Nur eins war sicher – mit Scott Seton hatte sie kein leichtes Spiel. Am besten, sie versuchte, gewisse Vorteile zu erlangen, solange es noch möglich war.
Antonia atmete tief durch, zwang sich, wieder an ihre Aufgabe zu denken, lächelte Scott strahlend an und sagte: „Gut, Mr. Seton … äh … Scott. Nennen Sie mir nun bitte noch die sechs Namen der Personen, die Sie wieder einstellen wollen?“
Ohne zu zögern, zählte Scott die Namen jetzt auf. Es hörte sich fast an, als sei ihm das alles mit einemmal ziemlich gleichgültig.
Antonia hakte die Personen auf der Liste ab und freute sich darüber, dass die Zukunft dieser sechs Menschen nun wieder positiver aussehen würde. Der Gedanke an die einundzwanzig anderen Menschen, die sie unbedingt noch vermitteln musste, dämpfte die Freude jedoch gleich darauf. Leise seufzend klappte Antonia das Notizbuch zu und sah wieder zu ihrem Gegner hinüber.
Scott lehnte am Türrahmen, schien es nicht eilig zu haben. Die Hände hatte er lässig in die Hosentaschen gesteckt.
Antonia ließ sich nicht täuschen. Alles, was Scott Seton tat, tat er mit Berechnung. Bestimmt war er bisher nicht gegangen, weil er noch irgendetwas von ihr wollte. Aber auch sie wollte mehr erreichen.
„Wie wär’s, wenn Sie noch ein paar Leute einstellen?“, fragte sie.
„Wie ich Ihnen bereits sagte, Toni, bin ich Geschäftsführer und nicht Vorsitzender eines Wohltätigkeitsvereins. Ich habe getan, was ich konnte. Stellte ich weitere Leute wieder ein, müsste ich andere dafür entlassen.“
„Hm … Es gibt da noch etwas, was Sie für mich tun könnten.“
„Was?“
„Ich brauche noch eine kleine Starthilfe. Sie haben doch so viel Geld. Es macht Ihnen sicherlich nichts aus, mir ein bisschen auszuhelfen.“
„Berichtigen Sie mich, falls ich falsch liege. Diese Starthilfe wäre eine recht unsichere Geldauslage. Da könnte ich genauso gut in noch nicht entdeckte Ölquellen, Goldminen und so weiter investieren.“
„Ja, da haben Sie wohl recht. Trotzdem, Sie können es sich doch wirklich leisten.“
„Niemals hätte ich erwartet, dass Sie es auf mein Geld abgesehen haben. Aber wissen Sie was, irgendwie reizt es mich auch, ein Risiko einzugehen.“
Mit diesen Worten berührte Scott Seton Antonias wunden Punkt. „Das ist mir auch schon einmal passiert. Doch bei uns geht es ja nicht um Gefühle oder Bedürfnisse, nicht wahr, Mr. Seton? Hier geht es lediglich darum, begangenes Unrecht wieder gutzumachen.“
„Sie sollen mich Scott nennen, Toni“, erwiderte er. „Darf ich fragen, was Sie mit dieser kleinen Starthilfe vorhaben?“
Während der Unterhaltung mit Robert Gilbert war Antonia eine gute Idee gekommen. Die musste sie jetzt zur Sprache bringen. Doch sie musste vorsichtig sein. Keinesfalls durfte sie Scott gegenüber erwähnen, dass der heimliche Verehrer von Jocelyn sie darauf gebracht hatte.
„Ich habe eine gute Idee, wie man ein Transportunternehmen um gewisse Dienste erweitern
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