JULIA FESTIVAL Band 78
vorfuhr, um Antonia abzuholen, waren Ray und Jocelyn schon vorgefahren.
Antonia sah Robert mürrisch an. Nicht, dass sie ihm böse war, weil er Jocelyn heiraten wollte. Nein, das war nicht der Grund. Robert passte wirklich viel besser zu Jocelyn als Scott. Aber Antonia fand, dass Robert sich einen geeigneteren Zeitpunkt hätte aussuchen können, sich Jocelyn zu erklären. Und dass sie selbst ihn dazu ermuntert hatte, Jocelyn den Hof zu machen, steigerte Antonias Missmut und ihre Schuldgefühle. Sie hatte sich in dieser Hinsicht idiotisch verhalten!
Zu allem Überfluss musste sie sich auch noch während der ganzen Fahrt nach Bowral Roberts Lobeshymnen über Jocelyn anhören und wie dankbar er ihr, Antonia, doch sei, dass sie ihnen half.
„Oh, keine Ursache“, knirschte sie schließlich. Ihre Laune war so schlimm, dass Antonia sich kaum noch unter Kontrolle halten konnte.
Während sie sich dem Ziel näherten, klärte sich der Himmel allmählich auf. Und als sie schließlich in die Einfahrt zu Scott Setons Landhaus einbogen, schien die Sonne. Auf einem Messingschild an der Steinmauer neben dem Tor hatte Antonia gelesen, dass das Haus ‚Summerfield-Green‘ hieß. Der Name passte zu dem Anwesen. Der Rasen war von einem besonders tiefen Grün.
Ihre Stimmung besserte sich. Beim Anblick dieses schönen Besitzes musste man einfach die trüben Gedanken vergessen. Den Garten hatte offenbar ein sehr begabter Mensch angelegt. Die Bäume, allesamt prächtige Exemplare, verliehen dem Grundstück etwas Anheimelndes, und die Blumenbeete leuchteten in den schönsten Farben.
Das weiße, sehr große Haus hatte zwei Stockwerke. Die Überdachung des Eingangs wurde von dicken Säulen getragen, und es gab eine riesige Vortreppe. Das Gebäude hätte auch in den Südstaaten von Amerika stehen können.
Von Jocelyn wusste Antonia, dass Scott das Landhaus vor einigen Jahren von seinen Eltern geerbt hatte. Scott besaß nur eine Schwester, die mit einem Amerikaner verheiratet und ihm nach Lexington im US-Staat Kentucky gefolgt war. Demnach lebte Scott hier allein. Doch Antonia fand, dass sich die Einsamkeit in dieser prachtvollen Umgebung ganz gut ertragen ließ und Jocelyn auf allerhand verzichtete, wenn sie Robert heiratete. Denn hier zu leben musste traumhaft sein.
Robert schien gerade Ähnliches zu denken, denn er schaute ziemlich unsicher und finster drein, während er Antonia aus dem Auto half.
Sie sah ihn an und verfiel erneut in düstere Gedanken. Unvermittelt berührte sie ihn dann am Arm und sagte: „Wundern Sie sich nicht, wenn an diesem Wochenende unangenehme Dinge passieren.“
Robert nickte, seufzte und erwiderte: „Dessen bin ich mir plötzlich nur zu gut bewusst.“
Manche Leute geben einfach zu schnell auf, dachte sie. Ich muss ihm wohl den Rücken stärken. Aber Robert wird lernen müssen, für Jocelyn einzustehen. Wenn sie erst einmal verheiratet sind, bin ich nicht mehr da, um das zu tun, und Jocelyn wird wahrscheinlich immer jemanden brauchen, auf den sie sich stützen kann. Nein, Jocelyn ist bestimmt nicht der Mensch, der die Welt aus den Angeln hebt.
„Robert“, sagte Antonia, „jeder Mensch bekommt eine Chance im Leben. An diesem Wochenende sind Sie dran. Wenn Sie sie nicht ergreifen, werden Sie es Ihr Leben lang bereuen. Was auch immer geschieht, werfen Sie die Flinte nicht ins Korn. Sie dürfen kein Feigling sein.“
Seine Gesichtszüge verhärteten sich, er schien sich zu etwas durchgerungen zu haben.
Das rief bei Antonia ebenfalls Entschlossenheit hervor. Jocelyn tat zwar nichts Unrechtes, aber diese Niederlage hatte Scott Seton nicht verdient. Antonia nahm sich vor, ihn später zu trösten, so gut es eben ging – falls er sie nicht kurzerhand hinauswarf. Jocelyns wegen brauchte er dann ja keine Rücksicht mehr zu nehmen …
Robert und Antonia gingen gerade die breite Vortreppe hinauf, da hörten sie jemanden ihre Namen rufen. Sie drehten sich um und entdeckten Jocelyn und Scott mit einer Gruppe Menschen. Anscheinend kamen sie alle gerade von einem Rundgang durch den Garten zurück. Jocelyn im Gefolge, steuerte Scott nun auf Antonia und Robert zu. Scott lief beinahe, und Jocelyn konnte kaum Schritt mit ihm halten. Sie strahlte Robert an.
Antonia hoffte, dass der nicht ein ähnlich verliebtes Gesicht machte. Dann würde der Schwindel, dass Robert nicht ihr Partner war, ja sofort auffliegen.
Glücklicherweise beachtete Scott Robert gar nicht und sah nur Antonia an, die ihm charmant zulächelte,
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