JULIA FESTIVAL Band 84
sarkastisch. Der Himmel war wolkenlos blau. Die über eine Million Keramikfliesen, mit denen die Dächer des Opernhauses gedeckt waren, funkelten in der Sonne. Das helle Licht hob die Farbe der sich bauschenden Segel auf dem Wasser hervor. Boote und Fähren hinterließen ein weiß schäumendes Kielwasser.
Touristen waren in Massen unterwegs und genossen die Atmosphäre auf dem Circular Quay. Ein Nikolaus begrüßte die Kinder, alles war schon festlich geschmückt, und die Straßenverkäufer boten ihre Waren als Weihnachtsgeschenke an. Jongleure und Pantomimen unterhielten die Leute, und Straßenmusikanten sangen und spielten beliebte Adventslieder. In dieser fröhlichen, freundlichen Stimmung machte es Meredith plötzlich nichts mehr aus, dass Kimberly sie nur zu Weihnachten sehen wollte. Es war ein Anfang … und vielleicht würde sich mehr daraus entwickeln.
Meredith umging Touristen, die sich vor dem Hintergrund der „Sydney Harbour Bridge“, fotografieren ließen. Die breiteste Einbogenspannbrücke der Welt, von den Leuten in Sydney liebevoll „Kleiderbügel“ genannt, war für alle Besucher der Stadt ein reizvolles Fotomotiv.
So viele lächelnde Menschen. Unwillkürlich lächelte Meredith auch. Alles war möglich.
Genau an diesem Tag vor dreizehn Jahren hatten Anthony und sie sich kennengelernt. Aber er erinnerte sich ja nicht daran. Wenn er es nur tun würde … dann könnte zwischen ihnen doch gewiss wieder die magische Anziehungskraft von damals entstehen.
Es waren noch immer zehn Minuten bis zur verabredeten Zeit, als Meredith auf der Hafenseite des Opernhauses ankam, dennoch war sie nicht die Erste. Trotz der vielen Menschen, die den schönen Blick auf den Hafen und die Harbour Bridge von diesem Aussichtspunkt genossen, entdeckte sie Anthony Hamilton sofort. Er lehnte dort am Geländer, wo die Wassertaxis anlegten und die Besucher der Aufführungen im Opera House absetzten oder aufnahmen.
Meredith blieb sofort stehen. Mit klopfendem Herzen blickte sie das Mädchen neben Anthony an. Es stand mit dem Gesicht zum Wasser, aber es musste Kimberly sein. Ihre Tochter … Sie war groß für ihr Alter. Zu limonengrünen Jeans trug sie ein weißes T-Shirt mit orangefarbenen und zitronengelben Schnörkeln. Das schwarze Haar war mit einem zitronengelben Band zum Pferdeschwanz gebunden. Zitronengelbe Turnschuhe. Weiße Strümpfe.
Offensichtlich mochte Kimberly leuchtende Farben. Meredith war erleichtert. Was sie angezogen hatte, entsprach dem Geschmack ihrer Tochter.
Jetzt sah Anthony in ihre Richtung, und Meredith erwiderte seinen Blick atemlos. Anthony erstarrte, und sie hatte das Gefühl, dass sie diesmal irgendwelche Erinnerungen in ihm wachrief. Wusste er vielleicht sogar, wer sie war? Jedenfalls schaute er sie an, als wäre sie eine Luftspiegelung und er könnte nicht so recht glauben, dass sie wirklich da war.
Dann nahm er sich sichtlich zusammen und berührte Kimberly an der Schulter. Das Mädchen drehte sich um und blickte erwartungsvoll und gespannt alle Frauen in ihrer Nähe an.
Meredith ging schnell weiter. Hier bin ich!, wollte sie rufen. Sie wollte zu ihrem Kind rennen, es in die Arme reißen und umarmen, damit sie spüren konnte, dass sie beide lebendig und wirklich zusammengekommen waren.
In diesem Moment hob Anthony die Hand, zeigte in Merediths Richtung und sagte etwas zu seiner Nichte. Jetzt sah Kimberly zum ersten Mal ihre Mutter, und ihre Augen wurden groß. Das Mädchen rührte sich nicht.
Anthony machte einen Schritt vorwärts, und Meredith hatte das Gefühl, dass er sich schützend vor seine Nichte stellte. Wollte Anthony ihr sagen, sie solle sich ein bisschen zurückhalten und sich ihnen langsamer nähern? Obwohl sie so aufgeregt war und es nicht erwarten konnte, endlich ihr Kind kennenzulernen, ging Meredith sofort langsamer. Sie musste vernünftig sein und durfte nicht zu früh zu viel verlangen. Für Kimberly war sie eine Fremde.
Bei dem Gedanken hatte sie Mühe, die Tränen wegzublinzeln, doch Meredith war inzwischen klar, dass sie ihre Tochter zuerst einmal nur liebevoll anlächeln sollte. Sie blieb neben dem Mann stehen, der dieses Treffen in die Wege geleitet hatte, und lächelte Kimberly strahlend an. Meredith versuchte es zumindest. Sie wusste, dass es ihr nicht ganz gelang. Die Anspannung war einfach zu groß.
„Kimberly … das ist deine Mutter … Meredith Palmer“, stellte Anthony sie freundlich vor.
Die Zwölfjährige bekam den Mund nicht auf. Sie sah Meredith
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