JULIA FESTIVAL Band 84
sie es sich anders überlegen konnte.
„Merry … kurz für Meredith. Nennen dich deine Freunde so?“, fragte Kimberly.
Meredith zögerte und sah Anthony an. Der Name hatte keine Bedeutung für ihn. Seine Miene verriet nichts als Neugier. Das tat weh, und die Qual stachelte Meredith an, die Wahrheit zu sagen. „Nur ein Mensch hat mich jemals so genannt.“
„Deine Mutter?“
„Nein.“
„Wer dann?“
Meredith empfand eine fast primitive Genugtuung bei dem Gedanken, dass Anthony zuhörte und nicht wusste, dass sie von ihm sprach. „Dein Vater, Kimberly. Dein richtiger Vater. Als wir uns begegnet sind, hat er gesagt, er fühle sich, als würden alle Weihnachtslichter der Welt in ihm angezündet. Er hat gefragt, wie ich heiße, und ich habe ihm meinen Namen genannt. Da hat er den Kopf geschüttelt und gesagt …“ Meredith verstummte. Sie erinnerte sich so deutlich daran, und der Mann, von dem sie sprach, kannte sie nicht, und sie kannte die gemeinsame Tochter nicht.
„Was?“, fragte Kimberly gespannt, völlig vertieft in die Geschichte über ihren leiblichen Vater.
Meredith wusste, dass sie jetzt weitererzählen musste. Es war nicht mehr möglich, sich herauszureden und das Thema fallenzulassen. Ihr fiel auf, wie still Anthony dasaß. „‚Nein, nicht Meredith … Merry. Ich muss dich Merry nennen‘, hat er gesagt. Ich habe gelacht und ihn gefragt, warum …“
„Ja?“ Kimberly blickte sie erwartungsvoll an.
„Es war kurz vor Weihnachten. Genau wie jetzt.“ Meredith atmete tief ein. „Und dein Vater hat mich angesehen und erwidert …“ Meredith blinzelte die Tränen weg.
Kimberly hielt den Atem an. Sie brannte darauf, alles zu hören.
Ihr Vater saß noch immer schweigsam und regungslos da.
Von Erinnerungen gequält, wandte sich Meredith von den beiden ab und blickte über das Wasser zum Fort auf der kleinen Felseninsel, das früher als Gefängnis gedient hatte. Das gehört der Geschichte an, dachte sie. Wie das, was der zweiundzwanzigjährige Anthony Hamilton damals zu mir gesagt hat. Aber sie würde den Moment und die Worte niemals vergessen. „‚Merry … weil du meine Merry Christmas bist.‘“
7. KAPITEL
Als würden alle Weihnachtslichter der Welt in ihm angezündet …
Anthony war sofort von diesem Bild fasziniert gewesen, und jetzt wurde ihm klar, dass es zutraf. Er fühlte sich auch so wie der Mann, von dem Meredith Palmer gesprochen hatte.
Es war unheimlich. Anthony blickte die Frau starr an und wünschte, er könnte ihre Gedanken lesen und sie wäre ihm nicht solch ein beunruhigendes Rätsel.
In dem Moment, als er sie vorhin in der Menschenmenge entdeckt hatte, war er völlig überwältigt gewesen. Sie hatte ihn angesehen, und er war trotz der Entfernung wie elektrisiert gewesen.
Meredith Palmer berührte ihn noch immer. Und nicht nur die starke körperliche Anziehungskraft verwirrte ihn. Viel mehr noch machte ihm zu schaffen, dass er ständig das Gefühl hatte, sie von früher zu kennen. Am besten war wohl, wenn er abwartete. Wenn sie mehr von sich erzählte, würde er hoffentlich etwas erfahren, mit dem er sich das Unerklärliche doch noch erklären konnte.
Zweifellos war Kimberlys richtiger Vater ein redegewandter Mistkerl gewesen. Als würden alle Weihnachtslichter der Welt in ihm angezündet … Wirklich raffiniert. Damit hatte er die junge Meredith Palmer tief beeindruckt. Und sie dann genommen und schwanger sitzenlassen, seine Merry Christmas. Als es darauf angekommen war, hatten sich seine schönen Worte als reiner Kitsch erwiesen.
Aber Meredith Palmer hatte ihn niemals vergessen können. Sie sah so traurig und wehmütig aus. Anthony brauchte sie nur anzuschauen und wusste, dass sie sich damals heftig in den Kerl verliebt hatte. Und dann hatte sie allein mit einem Baby dagesessen. Sie musste völlig verzweifelt gewesen sein.
Sie war ja fast noch ein Kind gewesen. Unschuldig, naiv und vertrauensvoll. Wahrscheinlich hatte sie sich zum ersten Mal verliebt. Seltsam war, dass sie nicht verbittert klang, wenn sie über den Mann sprach, der sie im Stich gelassen hatte. Anthony hatte eher den Eindruck, dass sie die Erinnerung an ihn hochhielt.
Kimberly seufzte laut. „Wie romantisch. Danke, dass du es mir erzählt hast.“
Merediths Miene hellte sich auf, als sie wieder ihre Tochter ansah. „Es war das schönste Weihnachten meines Lebens. Seitdem ist nichts mehr so wundervoll gewesen, bis ich dich heute kennenlernen durfte.“
„Aber du musst doch dazwischen
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