JULIA FESTIVAL Band 84
habe, dachte Meredith.
Sie beobachtete ihre Tochter verstohlen, als sie sich setzten, und nahm all das in sich auf, was Fotos niemals vermitteln konnten. Sie freute sich an jeder Bewegung und am Mienenspiel Kimberlys und lächelte darüber, wie die Zwölfjährige herausfordernd das Kinn hob, während sie sich mit dem Mann neckte, den sie für ihren Onkel hielt.
Ein Krug Eiswasser und die Speisekarten wurden gebracht. Meredith bemerkte, dass Kimberly sie auch verstohlen betrachtete, und hoffte inbrünstig, dass ihrer Tochter gefiel, was sie sah.
Meredith blickte zwar auf die Speisekarte, las sie jedoch nicht wirklich. Sie konnte sich nicht darauf konzentrieren, außerdem spielte es keine Rolle, was sie aß. Höchstwahrscheinlich würde sie ohnehin nichts schmecken. Als der Ober zurückkehrte und Kimberly paniertes Fischfilet und Pommes frites bestellte, sagte Meredith einfach, sie nehme dasselbe. Anthony entschied sich für ein Hähnchengericht und bestellte für sie alle noch Salat als Beilage. Er fragte Meredith, ob sie eine Flasche Wein mit ihm trinken wolle. Da nichts ihre Wahrnehmung bei dem Zusammensein mit ihrer Tochter trüben sollte, lehnte Meredith ab, und sie baten alle drei um alkoholfreie Getränke.
„Onkel Anthony hat gesagt, Sie wohnen in Balmoral. Mögen Sie den Strand?“, fragte Kimberly.
„Ja, sehr. Ich bin in Coff’s Harbour an der Nordküste aufgewachsen.“ Meredith blickte rasch den Mann an, der sie dort kennengelernt hatte. Seine Miene verriet höfliches Interesse. Es war offensichtlich, dass der Name der Hafenstadt keinerlei Erinnerungen in ihm wachrief. „Der Strand war mein Spielplatz. Seit ich nach Sydney gekommen bin, habe ich immer irgendwo in der Nähe eines Strands gewohnt.“
„Weil es Sie an Ihr Zuhause erinnert?“
Nein, das nun wirklich nicht, dachte Meredith und schüttelte den Kopf. Bei ihrer Stiefmutter hatte sie niemals ein Zuhause gehabt. „Eher, weil man am Strand so viel machen kann, ohne für das Freizeitvergnügen bezahlen zu müssen … Am Wasser spazierengehen und die frische Seeluft einatmen, surfen, schwimmen und tauchen. Was ist mit dir? Schwimmst du gern?“
Kimberly nickte stolz. „Tatsächlich bin ich ziemlich gut darin.“
„Siegerin ihrer Altersgruppe bei den Schulmeisterschaften in diesem Jahr“, sagte Anthony trocken. „Das Mädchen ist eine echte Nixe.“
Sie lachte. „In den Sommerferien will mir Onkel Anthony Windsurfen beibringen.“
„Das klingt wundervoll“, sagte Meredith. Vor dreizehn Jahren hatte er ihr beigebracht, wie man den Wind nutzte, über das Wasser glitt und auf den Wellen ritt. Sie hatten solchen Spaß gehabt.
Sie sehnte sich plötzlich so sehr nach dem, was sie verloren hatte, dass sie es kaum ertragen konnte. Natürlich war sie froh über die gute Beziehung zwischen Kimberly und ihrem Vater, aber die beiden zusammen zu erleben machte Meredith erst recht bewusst, dass sie all die Jahre ausgeschlossen gewesen war. Sie hatte so viel versäumt und konnte es nicht nachholen, weil sich die Zeit nicht zurückdrehen ließ. Kimberlys Kindheit war vorbei, und Meredith hatte nur Fotos, während Anthony und seine Tochter so viele gemeinsame Erinnerungen an diese Jahre hatten.
„Miss Palmer?“, fragte Kimberly zögernd.
Miss Palmer … eine Fremde. Meredith blickte auf und lächelte mühsam. „Ja?“
Ihre Tochter schaute sie besorgt an. „Sie haben gerade so traurig ausgesehen. Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Nein. Es ist nur … ich wünschte, ich hätte dabei sein können, als du die Schwimm-Meisterschaften gewonnen hast.“
„Als Mom noch lebte, ist sie immer in die Schule gekommen, wenn ich Wettkämpfe hatte.“
Mom … Meredith wurde noch trauriger, doch dann schalt sie sich dafür. Es brachte nichts, über die Vergangenheit zu grübeln. Sie sollte sich auf die Zukunft konzentrieren. „Ich bin sicher, sie war sehr stolz auf dich“, erwiderte Meredith freundlich.
Kimberly rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. „Es ist irgendwie seltsam. Ich weiß, dass Sie meine richtige Mutter sind, aber … Mom war meine Mom … und Sie sehen so jung aus …“
„Machst du dir Gedanken darüber, wie du mich nennen sollst?“, fragte Meredith.
Erleichtert nickte Kimberly. „Onkel Anthony meinte, ich könnte Sie vielleicht beim Vornamen nennen … wenn es Ihnen recht ist. Sie Miss Palmer zu nennen finde ich ein bisschen spießig.“
„Versuch Merry und sag du zu mir.“ Der besondere Name war heraus, bevor
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