JULIA FESTIVAL Band 84
gemeinsamen Zukunft mit Kimberly im Wege stehen.
Meredith wusste, dass sie vorsichtig sein musste. Dass Anthony sie aufgefordert hatte, ihn beim Vornamen zu nennen, bedeutete nicht allzu viel. Meredith war nicht Merry. Er hatte die Beziehung zwischen ihnen vergessen, und es war sinnlos, sich immer wieder zu wünschen, dass er sich doch noch erinnerte. Sie sollte sich besser mit den Tatsachen abfinden und alles nehmen, wie es kam.
Mit klopfendem Herzen läutete Meredith.
Kimberly musste in der Nähe der Tür ungeduldig auf ihre Mutter gewartet haben, denn Meredith hatte kaum die Klingel berührt, da stand Kimberly schon vor ihr und forderte sie eifrig auf hereinzukommen.
„Hallo!“, rief sie begeistert. „Du hast es ja doch noch rechtzeitig geschafft!“
Noch rechtzeitig?, dachte Meredith verwirrt. Anthony hatte gesagt, der Brunch sei eine zwanglose Angelegenheit, und sie brauche nicht zu einer bestimmten Zeit zu kommen. Ab elf, hatten sie nur abgemacht. „Sollte ich früher hier sein?“
„O nein! Du bist genau richtig“, versicherte ihr Kimberly und zog Meredith an der Hand in die Wohnung. „Du siehst klasse aus.“
Meredith trug limonengrüne Leggings, die mit weißen Margeriten bedruckt waren, und dazu ein weites weißes T-Shirt. Sie hatte die Sachen gewählt, weil sie ihrer Tochter gefallen wollte, und zweifellos waren leuchtende Farben angesagt. Kimberly trug orangefarbene Shorts und ein dazu passendes bauchfreies Top. „Du auch“, erwiderte Meredith lächelnd. Ihre Tochter einmal zum Einkaufen mitzunehmen wäre herrlich. War es noch zu früh, so etwas vorzuschlagen?
„Das sind nur alte Sachen“, wehrte Kimberly ab, schloss die Tür und zog Meredith weiter. „Los, Merry. Sie sind draußen auf dem Balkon.“
Beeindruckt von der ultramodernen, teuren Wohnzimmereinrichtung – schwarzes Leder, Chrom und Glas, moderne Kunst und ein Teppich, der so plüschig war, dass man jeden Fußabdruck sah –, dauerte es einen Moment, bis Meredith klar wurde, was Kimberly da gesagt hatte. „Wer?“, fragte Meredith erschrocken und blieb stehen. Weder ihre Tochter noch Anthony hatten am Vortag erwähnt, dass noch andere Gäste da sein würden. Darauf war sie nicht vorbereitet.
Kimberly zuckte die Schultern. „Nur Onkel Anthony und die Frau, mit der er geht. Sie ist vor ungefähr einer Stunde hereingeschneit. Ihr Name ist Rachel Pearce.“
Er hatte eine Beziehung. Meredith war plötzlich unglaublich niedergeschlagen. Und es musste ernst sein, wenn die Frau unangemeldet kam, wann immer sie wollte.
„Ich möchte, dass du sie kennenlernst, Merry.“
Nein, dachte sie entsetzt. Von einer Sekunde zur anderen waren alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht, und sie hatte das Gefühl, in ein schwarzes Loch zu fallen.
„Dauert nicht lange“, versuchte Kimberly sie zu überreden. „Danach zeige ich dir mein Zimmer.“
Meredith nahm sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf ihre Tochter. Kimberly blickte sie bittend an. Sie verlangte schließlich nur, dass Meredith der Frau guten Tag sagte, mit der ihr Onkel befreundet war. Die Zwölfjährige wusste ja nicht, welche Bedeutung diese Begegnung für Meredith hatte.
Sie wollte ihre Tochter auch weiterhin sehen … und deshalb war es unvermeidlich, dass sie die Frau in Anthonys Leben kennenlernte. Hör auf zu träumen und finde dich damit ab, befahl sich Meredith. „Magst du sie?“, fragte sie leise. Sie musste wissen, ob Anthony, diese Rachel Pearce und Kimberly schon so etwas wie eine Familie waren. Meredith wollte sich nicht selbst schaden, indem sie sich aus Unwissenheit falsch verhielt.
„Ach, sie ist wohl okay“, erwiderte Kimberly halbherzig. Sie rümpfte die Nase. „Irgendwie redet sie immer herablassend mit mir, aber gemein oder gehässig ist sie nicht.“ Kimberly wurde klar, dass das nicht gerade ermutigend klang, und sie fügte hastig hinzu: „Keine Sorge, Merry. Zu dir wird sie nett sein. Onkel Anthony würde es nicht gefallen, wenn sie unfreundlich zu dir wäre.“
Meine Tochter ist nicht auf den Kopf gefallen, dachte Meredith. Kimberly hatte zweifellos erkannt, dass Rachel Pearce alles tat, damit Anthony viel von ihr hielt. Meredith war jetzt neugierig, und sie wollte ihrer Tochter den Gefallen nicht abschlagen. Außerdem würde die Frau vielleicht bald eine große Rolle in Kimberlys Leben spielen. Wenn Meredith die Situation verstehen und ihrem Kind eine Hilfe sein wollte, dann musste sie sich ein Urteil über Rachel Pearce
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