JULIA FESTIVAL Band 84
auch gute Zeiten erlebt haben“, meinte Kimberly entsetzt. Für sie war bisher jedes Weihnachtsfest eine große Sache gewesen. Wie konnten zwölf Weihnachten vergehen, ohne dass man sich über irgendetwas freute? „Hast du keine Eltern, zu denen du gehen kannst?“, fragte Kimberly mitleidig.
Meredith schüttelte traurig den Kopf. „Meine Mutter ist gestorben, als ich acht war. Mein Vater hat wieder geheiratet. Da war ich zwölf. Zwei Jahre später ist er beim Angeln von einer hohen Welle von den Felsen ins Meer gerissen worden und ertrunken.“ Meredith verzog das Gesicht. „Und ich war mit meiner Stiefmutter allein.“
„Hast du sie nicht gemocht?“, fragte Kimberly.
„Wir sind nicht besonders gut miteinander ausgekommen“, erwiderte Meredith. Es war offensichtlich, dass sie untertrieb.
Kimberly warf Anthony einen vielsagenden Blick zu. Sie wollte keine Stiefmutter. Rachel wäre so etwas wie eine Stiefmutter, wenn er sie heiraten würde. Er sollte besser berücksichtigen, dass seine Nichte entschieden dagegen war!
Im Moment dachte Anthony jedoch überhaupt nicht an Rachel. Und die Idee, sie zu heiraten, war in weite Ferne gerückt, während er fasziniert die Frau anschaute, die ihm gegenübersaß.
Nachdem Kimberly ihm ihre Warnung hatte zukommen lassen, blickte sie wieder Meredith an. „Ich wette, deine Stiefmutter wollte dich nicht haben.“
„Das stimmt. Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, ihr nur zur Last zu fallen. Meine Schwangerschaft war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Sie hat mich beschimpft, aber ich wusste, dass ich nichts Unrechtes getan hatte. Ich habe deinen Vater geliebt, Kimberly. Er war meine große Liebe.“
Es war völlig unlogisch, und er konnte es sich nicht erklären, doch Anthony wurde von Eifersucht gequält. Dieser Kerl, der Meredith sitzengelassen hatte, verdiente es nicht, dass sie noch immer so verträumt und wehmütig von ihm sprach. Er hatte etwas Kostbares besessen und es zerstört. Und so einer war Merrys „große Liebe“? Alles in Anthony sträubte sich dagegen.
Merry … Verdammt! Er fand den Namen unwillkürlich reizvoll, aber er wollte ihn nicht benutzen, weil dieser Mann ihn ihr gegeben hatte. Wenn Kimberly dabei das Gefühl hatte, mit ihrem richtigen Vater verbunden zu sein, dann sollte sie ihre Mutter ruhig so nennen, er würde jedoch bei Meredith bleiben. Meredith!, wiederholte Anthony im Stillen energisch.
„Was ist passiert?“, fragte Kimberly verstört. „Ich meine … er hätte dich nicht im Stich lassen dürfen. Wie konnte er nur? Besonders da du ein Kind von ihm erwartet hast.“
Kimberly lässt sich keinen Sand in die Augen streuen, dachte Anthony anerkennend. Sie kam direkt zum Kern der Sache. Es würde ihrer Mutter guttun, die Vergangenheit nicht nur durch die rosarote Brille zu sehen.
„Manchmal geschehen Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben“, erwiderte Meredith.
Sie hörte sich so traurig an, dass es Anthony fast das Herz brach. „Was für Dinge?“, fragte er scharf. Sofort war es ihm peinlich. Meredith Palmers Vergangenheit ging ihn nichts an. Wenn Kimberly danach fragte, war das okay, aber er sollte sich zurückhalten.
Meredith schaute ihn an, und er erwiderte den Blick wie gebannt.
„Er war zweiundzwanzig“, sagte Meredith leise. „Als er erfahren hat, dass ich erst sechzehn war, wollte er warten, bis ich älter bin. Wir sind auseinandergegangen, nachdem wir abgemacht hatten, uns jedes Jahr zu Weihnachten zu schreiben.“
„Hast du ihm nicht gesagt, dass du schwanger bist? Das war doch zu wichtig, um ein Jahr zu warten.“
Meredith sah wieder seine Nichte an, und Anthony war erleichtert. Der Blick dieser Frau hatte ihn völlig verwirrt.
„Ich habe es versucht, Kimberly. Er war in die Vereinigten Staaten gezogen, und ich hatte keine Möglichkeit, mich mit ihm in Verbindung zu setzen.“
„Hat er dir denn Weihnachten geschrieben, wie ihr es abgemacht hattet?“
Meredith schüttelte den Kopf. „Nein. Oder die Karte ist verlorengegangen.“
„Ist mein richtiger Vater niemals zu dir zurückgekommen?“, rief Kimberly sichtlich bedrückt.
„Nein.“
Ein so tragischer Ausgang war schwer zu akzeptieren. Der Mann hätte ihre Mutter nicht im Stich lassen dürfen, und Kimberly brauchte irgendetwas, das ihn entlastete. Eine gutgläubige Zwölfjährige konnte nicht damit fertig werden, dass eine solche Liebesgeschichte kein Happyend hatte. Ihr Vater hätte zurückkehren müssen. Nur änderte
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