JULIA FESTIVAL Band 84
Wasser. Er lag völlig still und lauschte, damit ihm nichts entging, was seine Vermutung bestätigen würde. Aber im Haus war alles ruhig. Bei der Rückkehr müsste er doch wieder das Knarren hören. Anthony wartete gespannt. Nichts. Die Stille dauerte an und machte ihn nervös. Jetzt war er nicht mehr neugierig, sondern beunruhigt. Er stand auf und ging nachsehen.
Unter keiner Tür im Schlafzimmertrakt entdeckte Anthony einen Lichtschein. Auch im Wohnbereich war alles dunkel.
Anthony durchquerte die Eingangshalle, die das Haus in zwei Flügel teilte, als er bemerkte, dass die Tür nur angelehnt war. Ein schmaler Streifen Mondlicht fiel herein.
War ein Einbrecher im Haus gewesen und wieder hinausgegangen? Würde Kimberly mitten in der Nacht nach draußen laufen? Das konnte sich Anthony nicht vorstellen. Meredith? Früher hatte er nackt geschlafen, aber als Kimberly bei ihm eingezogen war, hatte er sich angewöhnt, Boxershorts anzuziehen. Auch nicht gerade viel, wenn man draußen herumlaufen wollte, doch daran dachte Anthony jetzt überhaupt nicht. Er musste unbedingt in Erfahrung bringen, wer die Haustür offengelassen hatte.
Sehr leise zog Anthony die Tür so weit auf, dass er hinausschlüpfen konnte. Auf der Veranda war niemand. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören. Er ging ans Geländer und blickte zum Strand. Eine Gestalt stand direkt unterhalb des Hauses am Wasser.
Der Anblick war ihm so vertraut, dass Anthony völlig aus der Fassung geriet. Sein Herz schlug schneller, und es fiel ihm schwer, noch klar zu denken.
Es war eine Szene aus seinem Traum: Die Frau stand regungslos so nah am Wasser, dass der weiße Schaum der sich am Strand brechenden Wellen ihre Füße umspülte. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und blickte starr auf das dunkle Meer hinaus. Über ihr funkelten die Sterne am nachtschwarzen Himmel. Das lange Haar, das ihr über die Schultern fiel, bewegte sich im leichten Wind. Es war das einzige Anzeichen dafür, dass die Frau keine Statue war. Als würde der Seewind ihm eine Botschaft von ihr übermitteln, spürte Anthony, dass sie wartete, sich nach jemandem sehnte, der zu ihr kommen und sich mit ihr vereinigen würde. Sie wollte aus ihrer Einsamkeit erlöst werden.
In seinem Traum fühlte Anthony immer das heftige Verlangen der Frau. Jedes Mal zog es ihn unerbittlich zu ihr hin.
Jetzt war er sich kaum bewusst, dass er die Verandatreppe hinunterging und durch die Dünen an den Strand lief. Wie im Traum hörte er die Frau rufen und folgte dem verführerischen Klang ihrer Stimme, doch etwas war diesmal anders. In dieser Nacht konnte Anthony das Meer riechen. Er spürte den Wind auf der Haut und den Sand zwischen den Zehen. Und die Empfindungen ließen Anthony hoffen, dass auch die Frau Wirklichkeit war. Aber das machte es nicht weniger unheimlich. Im Gegenteil.
Entweder sie hörte ihn, oder sie spürte, dass er zu ihr kam. Sie drehte sich um, so langsam, als könnte sie nicht glauben, dass er tatsächlich da war.
Das lange Haar wehte ihr ins Gesicht. Durch den Wind wickelte sich der dünne weiße Stoff, in den sie gehüllt war, um ihre Oberschenkel. Im Mondlicht hoben sich ihre Brüste als Silhouette ab und verliehen der grazilen Gestalt einen unbeschreiblichen Reiz.
Anthony ging jetzt langsamer. Er wartete darauf, dass sie sich wie im Traum völlig zu ihm umdrehte und ihn mit großen Augen erstaunt ansah, als würde sie ihn wiedererkennen. Und dann würde sich ihre Miene aufhellen, und die Frau würde ihn erfreut auffordern, näher zu kommen.
Das alles geschah, wie Anthony es schon unzählige Male im Traum gesehen hatte. Wie ein Film, der nachts immer wieder in seinem Kopf ablief. Und Anthony wusste nicht, woher er ihn hatte und wie er ihn ein- und ausschalten konnte.
Jetzt stellte die Frau fast erschrocken fest, dass er kein Trugbild war. Dann verdrängte Freude den Schock, und sie lächelte strahlend.
Gleich kann ich nicht weiter, dachte Anthony. Jedes Mal versuchte er verzweifelt, die Frau zu erreichen, doch es war ihm noch nie gelungen. Immer wollten ihm einfach die Beine nicht mehr gehorchen. Und während er sich quälte und nicht vorankam, verschwand sie.
Er ballte die Hände zu Fäusten und mobilisierte alle Kräfte. Wenn sie in dieser Nacht wirklich dort stand, würde ihn nichts aufhalten.
Anthony ging entschlossen vorwärts.
Sie verschwand nicht.
Er streckte die Hände aus, griff nach ihr … Seine Brust hob und senkte sich heftig, während er gegen die plötzliche
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