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Julia Festival Band 86

Julia Festival Band 86

Titel: Julia Festival Band 86 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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war sein Lächeln geschwunden, und er hatte Annie gesagt, was in seinem Herzen vorging: dass er nur so böse geworden war, weil er solch furchtbare Angst hatte, als er sie schreien hörte. Dass, wenn er sie je verlieren sollte … Dass sein Leben dann keinen Sinn mehr hätte …
    „Hi.“
    Er drehte sich um. Annie stand lächelnd in der Tür, und nur die schiere Willenskraft hielt ihn davon ab, zu ihr zu gehen, sie in die Arme zu nehmen und ihr zu sagen, dass … dass …
    „Tut mir leid, dass ich so lange weg war, aber ich habe einfach völlig die Zeit vergessen.“
    Chase wandte seinen Blick von ihr ab. „Warst du lange weg?“, meinte er gespielt beiläufig. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“
    „Ich bin durch den Wald gegangen.“ Annie kam näher, spähte ihm über die Schulter auf die Zwiebeln und Kartoffeln und griff nach einem Schälmesser. „Das hier ist ein herrliches Fleckchen Erde. Es ist mir ein schrecklicher Gedanke, wenn ich mir vorstelle, dass die Insel bald von Kerlen in dreiteiligen Anzügen überlaufen sein wird.“
    Chase zwang sich zu einem Lächeln. „Wenn sie herkommen, tragen sie keine dreiteiligen Anzüge, sondern karierte Bermudas, schwarze Socken und Freizeithemden.“
    Lachend nahm Annie eine Kartoffel in die Hand und begann sie zu schälen. „Kommt aufs Gleiche raus.“ Sie arbeiteten ein paar Minuten schweigend, dann meinte Annie: „Auf der Terrasse habe ich eine interessante Spinne gesehen.“
    Chase schaute auf. „Das ist ja seltsam. Ich hab’ mich gerade … Hast du ‚interessant‘ gesagt?“
    „Hmmm. Sie war …“ Sie zögerte. „Ziemlich groß. Du weißt schon. Eindrucksvoll.“
    „Eindrucksvoll, aha. Und du hast nicht geschrien? Mir scheint, ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als Krabbelinsekten nicht gerade zu deinen Lieblingstieren gehörten.“
    Annie blies sich eine Locke aus der Stirn. „Das tun sie auch immer noch nicht. Aber im letzten Jahr habe ich so einen Kurs gemacht …“
    „Warum überrascht mich das wohl nicht?“
    „Über Insekten“, erklärte sie würdevoll.
    Das allerdings überraschte ihn doch. „Du? Einen Kurs über Insekten?“
    „Warum nicht? Ich fand es blöd, mich vor Tieren mit mehr als vier Beinen so zu fürchten. Und ich dachte, wenn ich mehr über sie weiß, dass sie mir dann vielleicht nicht länger solchen Schrecken einjagen.“
    „Und?“
    Annie lächelte verlegen. „Ich habe gelernt, Kriech- und Krabbeltiere mit großem Respekt zu begegnen. Es gibt sehr viel mehr von ihnen als von uns, und sie existieren schon viel länger.“
    Chase nickte. „Aber?“
    Sie lachte und holte sich eine zweite Kartoffel. „Aber ich habe noch immer kein besonders herzliches Verhältnis zu allem, was acht Beine braucht, um einen Raum zu durchqueren.“
    Grinsend gab er zurück: „Schön zu wissen, dass manches sich nie ändert.“ Nach kurzem Schweigen fuhr er fort: „Annie?“
    „Hmmm?“
    „Ich … Ich wollte dir sagen … Ich hoffe, du weißt, dass das, was ich vorhin gesagt habe … Ich meine, dass du all diese Kurse gemacht hättest, um mir eins auszuwischen, dass ich das nicht so gemeint habe.“
    „Schon gut.“
    „Nein, es ist nicht gut. Ich weiß, dass du Spaß an diesen Dingen hast. An Literatur, Kunst … Es ist nur nicht mein Ding. Verflixt, wenn ich am College mehr als das absolute Minimum an diesen Fächern hätte belegen müssen, ich hätte meinen Ingenieur nie geschafft. Dann würde ich wahrscheinlich heute noch Gräben ausheben.“
    Lächelnd schüttelte Annie den Kopf. „Du weißt, dass das nicht stimmt. Und außerdem … Vielleicht war ja doch etwas Wahres an dem, was du gesagt hast. Ich meine, ich mag Kunst, Literatur und diese Sachen. Aber ich muss gestehen, wenn du bei der Erwähnung eines Dichters aus dem achtzehnten Jahrhundert verständnislos geguckt hast, hat mir das ein gutes Gefühl gegeben. Nicht, weil ich mich dadurch klüger gefühlt hätte, sondern weil es mir die Möglichkeit eröffnete, zu beweisen, dass ich mich als eigenständige Person behaupten konnte. Verstehst du? Dass, obwohl ich nur Hausfrau war …“
    „Nur Hausfrau?“
    Achselzuckend legte Annie die Kartoffel weg und griff nach der nächsten, während Chase unterdessen mit dem Zwiebelschneiden begonnen hatte.
    „Nur Hausfrau!“ Chase lachte. „Das ist vielleicht eine schwache Beschreibung für die Frau, die unser Haus geführt, unser Kind aufgezogen und all diese Clowns bewirtet hat, denen ich um den Bart gehen musste in

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