Julia Festival Band 86
drohte.
„Was ich meine, ist, dass keiner weiß, wie wir uns arrangieren. Wir müssen niemandem etwas erklären …“ Sie brach ab. „Schau mich nicht so an …“
Chase schloss die Tür hinter sich, ohne seine Augen von Annies zu lösen. „Möchtest du mit mir schlafen?“
Die Direktheit seiner Frage raubte Annie den Atem. Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Das habe ich nicht gesagt …“
„Ich will dich, Annie.“ Seine Stimme war rau, und in seinem Ausdruck lag nichts als Verlangen. „Darling, ich will dich so sehr, dass ich nicht einmal mehr klar denken kann.“
„Es geht nicht.“
„Warum nicht? Wir sind zwei erwachsene Leute. Wen verletzt es, wenn wir das tun, was wir beide wollen?“
Mich, dachte sie, mich, Chase. Denn wenn ich mit dir ins Bett gehe, werde ich mir eingestehen müssen, dass … dass ich dich noch immer …
„Nein“, erklärte sie fast verzweifelt. „Nein. Es wäre nicht fair … gegenüber Milton.“
„Milton“, wiederholte Chase verächtlich.
„Ja. Ich bin verlobt, genau wie du. Und was ich damit meinte, dass wir niemandem eine Erklärung schuldig sind, ist, dass wir ohne weiteres in getrennten Räumen schlafen können.“
„Ah ja.“
„In diesem Haus gibt es doch bestimmt noch irgendeinen anderen …“
„Nein, verdammt! Schau dich doch um. Es gibt kein Sofa. Noch nicht einmal einen einzigen Stuhl außer dem Schaukelstuhl im Schlafzimmer.“
Annie fragte sich, weshalb Chase so verärgert war, und blickte zur Decke empor. „Und was ist mit …?“
„Oben gibt es keine Räume, nur einen Dachboden voller Kisten. Und Fledermäuse.“
„Fledermäuse?“ Sie schauderte.
„In der Tat“, erwiderte Chase kalt, in dem auf einmal ein ungeheurer Zorn aufstieg, auf Annie, auf sich selbst, auf Dawn, auf Kichiro Tanaka und die ganze Welt. „Die Fledermäuse fressen die Spinnen, und zwar die richtig eindrucksvollen, die von der Größe eines Esstellers!“
„Du willst also damit sagen, dass wir das Beste aus der Situation machen müssen?“
„Eine brillante Schlussfolgerung.“
Sie sprang auf die Füße. „He, Cooper, sprich nicht in diesem Ton mit mir!“ Resolut marschierte sie an ihm vorbei.
„Wage es nicht, mich einfach so stehenzulassen, Lady!“
„Ich suche mir was Neues zum Lesen“, warf sie über die Schulter zurück. „Sogar das Etikett einer Thunfischdose wäre besser als der Versuch, ein normales Gespräch mit dir zu führen!“
„Ganz recht“, gab Chase zurück, der sich an ihr vorbeidrängte. „Vielleicht sollte ich versuchen, an Land zu schwimmen. Alles wäre mir lieber, als einen Abend mit dir zu verbringen!“
Annie saß auf dem Bett im Schlafzimmer. Chase war schon lange fort. Doch da wurde die Tür geöffnet, und Annie blickte auf.
„Entschuldige“, sagte Chase. „Ich hätte anklopfen sollen.“
„Ist schon in Ordnung.“
„Wir haben einen langen Tag hinter uns. Ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber ich bin müde.“
„Ja.“ Zögernd fuhr sie fort: „Das Bett ist ja riesig. Wir können es uns teilen. Ich nehme die rechte Seite, du kannst …“
Chase riss die Schranktüren auf. „Hier muss doch irgendwo Bettzeug sein. Ah, da.“ Er nahm einen Armvoll Decken und Kissen heraus, warf Annie eine Decke zu und breitete die andere über den Schaukelstuhl.
„Du willst dort schlafen?“
„Richtig.“ Er setzte sich, schob sich ein Kissen hinter den Kopf und streckte die langen Beine aus. „Ich möchte ja deinen guten Ruf nicht ruinieren.“
„Chase, bitte. Ich wollte nicht …“
Er drückte den Lichtschalter an der Wand, und der Raum war augenblicklich in Dunkelheit getaucht.
Annie rollte sich auf die Seite und schloss die Lider, unter denen Tränen hervorquollen. Ich liebe dich, Chase, dachte sie.
„Gute Nacht, Annie“, meinte Chase und rutschte hin und her, um eine einigermaßen annehmbare Schlafstellung zu finden, auch wenn er wusste, dass an Schlaf nicht zu denken war. Nicht, wenn die Frau, die er liebte, nur zwei Schritte von ihm entfernt lag. Er konnte ihren Duft riechen, ihren leisen Atem hören, und mit ausgestreckter Hand hätte er ihre warme, seidige Haut zu berühren vermocht. Wie sollte er diese Nacht nur überstehen?
9. KAPITEL
Chase erwachte unvermittelt. Im Zimmer war es schwarz wie Tinte, und Regen trommelte auf das Dach. Es dauerte einen Moment, bis Chase seine Orientierung zurückgewonnen hatte. Behutsam zog er sich an den Armlehnen des Schaukelstuhls hoch, doch ihm tat alles weh.
Mühsam
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