Julia Festival Band 86
sich beispielsweise um ihre alte Mutter kümmern, die momentan im Krankenhaus läge. Eddie, der Botenjunge, habe sofort seine schwangere Freundin angerufen, um ihr die gute Nachricht zu überbringen. Die beiden wollten heiraten und hätten sich große Sorgen gemacht, was sie ohne Eddies Job bei „CHIC“ hätten anfangen sollen.
Matthew hatte in der Situation das einzig Mögliche getan: Er hatte seine Aktentasche gegriffen und war auf dem schnellsten Weg wieder aus der Redaktion verschwunden. Was sonst hätte er auch tun können?
„Was sonst?“, sagte er laut.
Der Taxifahrer blickte in den Rückspiegel und nickte lächelnd. „Ja.“
Matthew seufzte. „Ja.“ Das eine Wort schien alles zusammenzufassen.
Das galt allerdings nicht für Joe Romano. Matthew wusste, dass sein kleiner Bruder kein Jasager war. Deshalb arbeiteten sie auch so gut zusammen. Joe nannte die Dinge immer beim Namen.
Der jüngere Romano wusste, dass Matthew das Risiko suchte. Das war einer der Gründe für seinen rasanten Aufstieg in so kurzer Zeit. Aber was er ihm da soeben erzählt hatte, war weder gewagt oder gefährlich, sondern schlichtweg verrückt. Schön, sie hatten sich einige Tage nicht gesehen und trafen sich hier in New York zum Brunch, bevor sie nach Hause weiterfliegen wollten. Konnten einige wenige Tage einen Mann so verändern?
Nicht zuletzt von Neugier getrieben, hakte Joe nach. „Du hast dieser armseligen Zeitschrift eine Gnadenfrist von einem Monat gegeben?“ Er beugte sich über den Tisch vor. „Matt, ich versuche gerade, etwas Ordnung in das Chaos dort zu bringen!“
Ich auch, dachte Matthew und rang sich ein Lächeln ab. „Was macht es für einen Unterschied, ob wir ‚CHIC‘ vier Wochen früher oder später zumachen? Es bleibt ein Abschreibungsgeschäft.“
„Sicher, aber du warst doch fest entschlossen, die Sache heute zu beenden. Hast du etwas entdeckt, das dich veranlasst hat, deine Meinung zu ändern? Fakten, Zahlen, Kalkulationen?“
„Nein. Wir könnten ‚CHIC‘ vier Jahre geben, und die Zeitschrift würde immer noch keinen Gewinn machen.“
Joe sah ihn überrascht an. „Und warum hast du ihnen dann vier Wochen Frist gegeben?“
Matthew trank genüsslich etwas Kaffee. „Selten einen so guten Kaffee getrunken. Ob die hier die Bohnen frisch mahlen?“
„Matt! Sprich mit mir, ja?“
„Worüber?“
„Darüber, warum du nach New York geflogen bist, um ‚CHIC‘ persönlich das Ende zu verkünden. Die E-Mails, die Büronotizen – Susan … Ford? … über Matthew Romano.“
„Ihr Name ist Susannah Madison“, sagte Matthew schroff. „Und wag es nicht zu lächeln! Was diese Frau geschrieben hat, ist überhaupt nicht amüsant.“
„Natürlich nicht“, sagte Joe sofort. „Deshalb verstehe ich auch nicht … Warte mal, du hast sie doch gefeuert, oder?“
Matthew atmete tief ein. „Nein.“ Er blickte in das entgeisterte Gesicht seines Bruders. Was sollte er ihm sagen? „Ich hatte die feste Absicht, sie zu feuern und die Redaktion zu schließen, aber … ich habe es mir anders überlegt.“
„Warum?“ Joe blieb hartnäckig.
„Weil es mir nicht fair schien, sämtlichen Mitarbeitern von ‚CHIC‘ den Boden unter den Füßen zu entziehen, weil ich mit der Chefredakteurin ein Hühnchen zu rupfen habe. Was soll’s? In vier Wochen sind wir sie sowieso los.“
„Das war mein Vorschlag, erinnerst du dich? Die Zeitschrift einzustellen und den Mitarbeitern ein Monatsgehalt plus Zusatzleistungen auszuzahlen. Du warst einverstanden, wolltest dich aber um diese Miss … Coolidge? … persönlich kümmern.“
„Madison“, sagte Matthew scharf. „Sie heißt Madison.“
„Clinton, Madison, Teddy Roosevelt. Was tut das zur Sache? Du wolltest sie unbedingt persönlich feuern. Warum hast du es also nicht getan?“
Matthew winkte dem Ober, ihm noch Kaffee nachzuschenken. „Eins wollen wir klarstellen, Joe“, sagte er leise. „Du bist mein Bruder und meine rechte Hand. Aber ich leite meinen Laden allein und bin niemandem verantwortlich. Nicht einmal dir. Ist das klar?“
„Ja.“ Joe stand verärgert auf. „Ich habe verstanden.“
„Joe …“ Matt streckte beschwichtigend eine Hand aus. „Komm, setz dich wieder hin.“
„Warum? Du hast dich doch sehr deutlich ausgedrückt.“
„Setz dich, verdammt!“, stieß Matthew hervor.
Die Brüder blickten sich einen Moment lang schweigend an, dann setzte Joe sich wieder an den Tisch. Matthew beugte sich vor und sagte schroff: „Die
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