Julia Festival Band 86
noch ihre Stirn sah.“ Joe bemerkte, wie ihre Mundwinkel zuckten.
„Nach dem Zupfen wäre es anders gewesen.“
„Und das lange Haar, das aus dem Leberfleck am Kinn herauswuchs, hätte wohl auch nur gezupft werden müssen, oder?“ Ihm war ebenfalls nach Lachen zumute, aber er empfand es noch als verfrüht.
„Da haben wir dein Problem, Joseph. Du bist mit nichts zufrieden. Als ich dir Anna Carbone vorgestellt habe …“
„Dieses Pipimädchen auf dem Festival, zu dem du mich letzten Sommer geschleppt hast?“
„Ich habe dich nicht dahin ‚geschleppt‘“, antwortete Nonna würdevoll. „Ich habe dich lediglich gebeten, mich dorthin zu fahren. Es war purer Zufall, dass Anna auf mich gewartet hat. Und sie ist kein ‚Pipimädchen‘, auch wenn sie erst zwanzig ist“, protestierte sie. „Aber ich habe nicht mit dir gestritten, als du mir erklärt hast, sie sei zu jung, oder?“
„Nein“, erwiderte er kühl. „Du hast nur etwas Zeit verstreichen lassen und mir dann Miss Augenbraue präsentiert.“
Ihre Mundwinkel zuckten erneut. „Ehrlich gesagt, habe ich ihre Augenbrauen erst an dem Abend in der Küche richtig bemerkt.“
„Ja. Als die Signora rein zufällig mit dem Nachtisch auf der Türschwelle erschien.“
„Einschließlich des Leberflecks.“
Sie blickten sich an und lächelten dann. Joe seufzte, zog seine Großmutter in die Arme und küsste sie auf die Stirn. „Und nun erzähl mir, welches ‚Geschenk‘ du mir machen willst und warum du mich vorher einzuwickeln versuchst?“ Er sah zur Tür. „Wird mein Dessert von einer Lieferantin zugestellt?“
Nonna schnitt ein Gesicht, ging zum Kühlschrank und nahm eine Schüssel heraus. „Gelato. Nur damit du weißt, dass deine Nachspeise nicht zur Hintertür hereingetragen wird.“
Lächelnd setzte er sich wieder. „Selbst gemachtes Eis. Du verwöhnst mich unheimlich.“
Sie tat ihm etwas auf einen Teller und wartete, bis er es probiert hatte. „Schmeckt’s?“
„Wunderbar, so gut wie noch nie.“
„Aber es ist nicht von mir.“
„Das muss es sein. Selbst bei Carbone bekommt man kein so köstliches Eis.“
„Ja, Signor Carbone würde viel darum geben, das Rezept zu kennen.“
„Wenn es weder von ihm noch von dir ist, wer …?“ Bedächtig legte er den Löffel weg und blickte sie an. „Heraus mit der Sprache“, sagte er dann grimmig. „Und erspar uns beiden deinen Ich-weiß-nicht-wovon-du-redest-Blick.“
Nonna, die ebenfalls wieder Platz genommen hatte, faltete die Hände auf der weißen Tischdecke. „Ich sorge mich um dich, Joseph.“
„Nonna“, antwortete er geduldig. „Wir haben doch schon darüber gesprochen. Ich bin nicht einsam. Ich will keine Frau. Mir gefällt mein Leben, wie es ist.“
„Erinnerst du dich an meine Frage, wer dir die Hemden bügelt und die Knöpfe annäht?“ „Ja. Ich habe dir erklärt, dass die Leute in der Wäscherei das tun.“ „Und du hast mir auch erklärt, dass dein Haus von einer Reinigungsfirma sauber gehalten wird.“ „Richtig, und dass ich diese Firma gern beauftragen würde, sich ebenfalls um dein Haus zu kümmern.“ „Ich putze lieber selbst“, erwiderte sie abweisend und beugte sich etwas vor. „Aber, Joseph, wer kocht für dich?“
Joe seufzte. „Ich esse kaum zu Hause, wie du weißt. Wenn ich es doch einmal tue, bringe ich mir etwas aus einem Restaurant mit …“ Er verstummte, als er ihr Lächeln sah, und hatte plötzlich das Bedürfnis, aufzuspringen und um sein Leben zu laufen.
„Ich habe akzeptiert, dass du vielleicht nie heiraten wirst und fremde Leute sich um deine Hemden und dein Haus kümmern. Aber ich habe nie aufgehört, mich um dein leibliches Wohlbefinden zu sorgen. Und von nun an brauche ich es nicht mehr.“ Nonna zog ein gefaltetes Blatt Papier aus der Schürzentasche und reichte es ihm. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“
Joe runzelte die Stirn. „Was ist das?“
„Dein Geschenk“, antwortete sie freudestrahlend. „Lies.“
„Ich werde daraus nicht schlau“, erklärte er einen Moment später. „Da steht nur ein Name.“
„Si. Luciana Bari.“
„Wer, zum Teufel, ist Luciana Bari?“
„Du sollst nicht fluchen, Joseph.“
„Und du probier nicht, das Thema zu wechseln. Wir haben gerade über deine hinterlistigen Versuche gesprochen, mich zu verkuppeln. Wenn du nur eine Sekunde glaubst, du würdest damit durchkommen …“ Er verstummte, als er sah, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten, und nahm ihre Hand. „Nonna, es
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