Julia Festival Band 86
degeneriert“, bestätigte er kühl. „Aber sie stammen aus den besten Familien von San Francisco und sind Industriekapitäne.“
„Sie sind betrunken“, erwiderte sie noch kühler.
„Sie feiern. Und ein Mädchen, das aus einer Torte springt, gehört mit dazu.“
„Rufen Sie eine Modelagentur an. Rufen Sie da an, wo Sie die ‚Schauspielerin‘ engagiert haben, und engagieren Sie eine neue.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn an. „Ich übernehme den Auftritt nicht.“
„Es ist gleich zehn. Die Agentur ist geschlossen.“
„Was für ein Pech.“
„Erinnern Sie sich noch an Lektion drei? Wie man improvisiert, wenn das Soufflé misslungen ist?“
„Was hat das hiermit zu tun?“
„Ich improvisiere, Miss Barry. Ich begnüge mich mit dem, was ich habe.“
Lucinda kniff die grünen Augen zusammen. „Ich bin weder ein Eiweiß noch eine Tafel Schokolade.“
Florenze lächelte schwach. „Wenn Sie sich umblicken, sehen Sie hier sechs Leute. Ich schätze, wir sind uns einig, dass die Partygäste nicht sehr erfreut sein werden, wenn Mr. Purvis, Mr. Rand oder Mr. Jensen aus der Torte springen. Richtig?“
Lucinda schwieg.
„Sind wir uns auch darin einig, dass unsere verehrte Miss Robinson sich wohl verletzen dürfte, wenn sie sich aus etwas anderem als einem Lehnstuhl herausbemühen würde? Und Mrs. Selwyn nur in die Torte passen würde, wenn diese die Ausmaße der Cheopspyramide hätte?“
„Was Sie von mir verlangen, betrachte ich als barbarische, sexistische Unsitte.“
„Davon gibt es viele auf unserem Planeten, Miss Barry. Aber wir sind keine Weltverbesserer, sondern Essenslieferanten. Wir haben uns vertraglich verpflichtet, ein Büfett mit Roastbeef, gegrilltem Schweinefleisch, Seezungenfilets mit Mandeln, diversen Salaten und Brötchen aufzubauen sowie für Kaffee und sonstige Getränke zu sorgen … und auch für eine riesige Papptorte, in der eine junge Frau verborgen ist. Also ziehen Sie das Kostüm an, und tun Sie, was getan werden muss.“
„Ich habe die Kursgebühren bezahlt, um kochen zu lernen.“
„Was Ihnen nicht besonders gut gelungen ist“, erwiderte er lächelnd.
Insgeheim musste sie ihm Recht geben, doch was spielte das im Moment für eine Rolle? „Ich habe die vorgeschriebenen Unterrichtsstunden besucht“, antwortete sie kühl. „Ich habe alle Prüfungen bestanden und mein Zeugnis verdient.“
Florenze lachte. „Alle Prüfungen, bis auf die letzte. Sie werden Ihr Zeugnis nicht erhalten, wenn Sie heute Abend versagen.“
Dann wäre alles umsonst gewesen, und sie würde wieder als Bedienung arbeiten müssen. Sie würde sich nie in einem Restaurant als Souschef bewerben, Küchenchefin in einem eigenen Lokal werden oder einen eigenen Partyservice gründen können … „Das ist Erpressung.“
„Ja. Aber versuchen Sie, mir zu beweisen, dass diese Unterhaltung stattgefunden hat“, meinte er lächelnd. „Sehen Sie den Auftritt einfach als Gelegenheit an, für fünfzehn Minuten berühmt zu sein, als Ihre einmalige Chance …“
„Geben Sie mir das elende Kostüm, und halten Sie den Mund“, hatte sie hervorgestoßen und war darüber nicht minder überrascht gewesen als er.
Und jetzt stand sie hier in dem luxuriösen Badezimmer, um sich auf ihren „großen Moment“, vorzubereiten.
Was mutete Florenze ihr nur zu! Sie war eine Barry, und die Barrys waren seit mehr als dreihundert Jahren ihren Grundsätzen treu geblieben und hatten immer das Richtige getan. Ausgenommen ihr Vater. Aber Hepzibah Barry zum Beispiel hatte sich lieber verbrennen lassen, als von sich zu behaupten, sie wäre eine Hexe. Sollte sie, Lucinda, nicht auch so standhaft sein?
„Lucinda, machen Sie sofort auf.“
Miss Robinsons Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Lucinda schloss die Tür auf und öffnete sie einen Spaltbreit. „Ich … ich bin ziemlich beschäftigt“, erklärte sie der achtzigjährigen Lady. „Wenn Sie dringend hier hereinmüssen, möchte ich Sie bitten, ein anderes …“
„Ich will mit Ihnen reden. Also lassen Sie mich herein.“
Lucinda nahm sich ein Gästehandtuch, presste es sich gegen die Brust und machte die Tür gerade weit genug auf, damit Miss Robinson hereinkommen konnte.
„Warum verstecken Sie sich hier? Warum halten Sie sich das Handtuch vor die Brust, als wäre es die letzte Schwimmweste auf der Titanic ?“
„Nun ja … Was ich anhabe …“ Lucinda runzelte die Stirn, atmete tief durch und ließ das Handtuch fallen.
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