Julia Festival Band 86
gestrigen Abend ausgesprochen lächerlich gemacht zu haben.
Vorsichtig setzte er sich auf. Die Schmerzen würden irgendwann vergehen, aber dieses Gefühl, etwas unglaublich Dummes getan zu haben, würde möglicherweise bleiben.
Was konnte es nur gewesen sein?
„O verdammt!“, fluchte er und sank zurück in die Kissen. Ja, er hatte sich wirklich zum Narren gemacht.
Wie hatte er sich nur dazu hinreißen lassen können, jenes blonde Wesen zu küssen?
Eigentlich hatte er zu dem Zeitpunkt nach einer höflichen Entschuldigung gesucht, um sich zu verabschieden, bevor der auf vielen derartigen Partys übliche Gag stattfand. Doch dann war der weiß gekleidete kleine Mann mit dem Servierwagen erschienen und einer so unecht wirkenden Torte, wie er, Joe, noch keine je zuvor gesehen hatte.
Nach einem gewaltigen Trommelwirbel war jene spärlich bekleidete Blondine aus dem Pappgebilde herausgekommen, als wollte sie bei der Olympiade die Goldmedaille für graziöses Auftauchen gewinnen.
Deutlich sah Joe wieder ihr Gesicht vor sich. Die faszinierenden grünen Augen, die feine, gerade Nase, die hohen, aristokratischen Wangenknochen und den sinnlichen, ausdrucksstarken Mund. Sie hatte nicht gelächelt, aber schließlich konnte man von einer Frau wie ihr nicht alles erwarten.
Auch nicht, wie sich gezeigt hatte, dass sie anmutig aus der Torte fand. Als sie gemerkt hatte, dass sie festsaß, war sie in Panik geraten und hatte mit den Armen um sich geschlagen. Und dann war er auf die Bühne gesprungen, um ihr zu helfen, hatte sie herausgehoben – und geküsst.
Es war allerdings nicht nur ein einfacher Kuss gewesen. Er hatte sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund leidenschaftlich geküsst.
Doch, es hatte einen Grund gegeben. Sie hatte so verwirrt ausgesehen, so altmodisch nach Gardenien oder Rosen geduftet und sich so weich angefühlt.
Wohlgefällig hatte er sie betrachtet. Ihr Gesicht, ihre Figur, ihre Beine … Als er ihre Schuhe erblickt hatte, jene bequemen Treter, die in krassem Widerspruch zu ihrem aufreizenden Outfit standen, hatte er lachen wollen. Er hatte ihr sagen wollen, dass eine Frau mit ihrem Äußeren seinetwegen auch gern Clogs tragen könnte und dennoch wie jemand aussehen würde, der …
Der was?, hatte ihn eine innere Stimme gefragt.
Der geküsst werden müsste, hatte er in jenem Moment gedacht – und es getan.
Wenn er doch nur das weitere Geschehen aus seinem Gedächtnis löschen könnte! Joe setzte sich wieder auf. Diese Erinnerung würde ihm wohl ewig bleiben.
Ohne einen Moment zu zögern, hatte die Blondine die Hand zur Faust geballt und ihn mit einer Rechten hinterm Ohr getroffen.
„Verdammt“, fluchte er und schwang die Beine aus dem Bett. Sofort hielt er sich den schmerzenden Kopf.
Die anderen Gäste hatten sich prächtig amüsiert. Sie hatten ihr Vergnügen an seinem Sprung auf die Bühne gehabt, an seinem Kuss, ihrer Rechten, seinem überraschten Aufschrei und ihrer anschließenden Flucht vom Tatort.
Wie gut, dass alle gemeint hatten, er hätte zu viel Alkohol genossen. Er hatte sie in dem Glauben belassen, das war für sein Ego leichter zu verkraften. Doch zwei Gläser Chianti und ein kleines Bier reichten wirklich nicht, um ihm den Verstand zu rauben.
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Schnell nahm er den Hörer ab, damit es nicht länger als nötig sein Trommelfell malträtierte. „Hallo?“
„Joe, alter Junge, wie geht’s?“
Aus den Augenwinkeln sah er auf den Wecker. Es war gleich halb acht. „Ich hoffe, du hast einen guten Grund, mich so früh zu stören“, erwiderte Joe bissig und zuckte zusammen, als Matt lachte. „Und halte den Geräuschpegel niedrig, okay?“
„Das beantwortet meine Frage. Es war wohl eine lange Nacht?“
„Eine kurze.“ Joe hielt den Hörer etwas vom Ohr weg. „Was ist denn da so laut? Das klingt ganz nach dem Hupen eines Lasters.“
„Ist es auch“, bestätigte Matt vergnügt. „Susannah und ich sind unterwegs zum Flughafen. Wir wollen für ein langes Wochenende nach New York.“
„Schön.“
„Du könntest dich etwas begeisterter zeigen.“
„Zu mehr Begeisterung bin ich mitten in der Nacht nicht fähig.“
„Es ist nicht mitten in der Nacht.“
„Für zivilisierte Leute schon.“
Matt lachte. „Wir wollten dir im Voraus zum Geburtstag gratulieren.“
„Zum Geburtstag …“ Joe strich sich durchs Haar. „Ist das ein Familienkomplott? Erst Nonna, dann ihr?“
„Nonna hat mir von ihrem Geschenk
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