JULIA FESTIVAL Band 89
tiefe Gefühle entwickeln.
Selbst jetzt noch, mit siebenundzwanzig, kam es ihr manchmal so vor, als fehle ein Teil von ihr. Der beste Teil, nämlich Jeff. Taylor hatte ihn über alle Maßen geliebt. Natürlich kam sie mittlerweile mit dem Leben wieder zurecht. Sie konnte Gefallen an einem Mann finden, konnte lachen und all das tun, was sie zuvor auch getan hatte.
Nur eines hatte sich unwiderruflich geändert: Wenn sie jetzt einen Mann an sich heranließ, dann lediglich, um ein Bedürfnis zu stillen. Manchmal wollte sie sich an eine muskulöse Brust schmiegen oder sexuelle Erfüllung finden.
Mehr nicht. Es war jetzt fast zehn Jahre her, doch Taylor konnte sich immer noch nicht vorstellen, jemals wieder eine so tiefe und bedingungslose Liebe für einen Menschen zu empfinden.
„Prinzessin?“
Sie fuhr erschrocken zusammen. Wie hatte sie Mac bloß vergessen können? Er blickte sie gerade auffordernd an. Er war der erste Mann seit Jeff, nach dem sie sich überhaupt sehnte. Also schön, jetzt hatte sie es sich eingestanden. Das änderte aber überhaupt nichts daran, dass Mac nicht ihr Typ war.
„Ein bisschen Staub bringt mich nicht um“, sagte sie.
„Sie haben den schlimmsten Dreck ja auch noch nicht erlebt. Wenn Sie hier stehen bleiben, während wir im Flur den Putz abschlagen, werden Ihre Lungen innerhalb von einer halben Stunde wie Feuer brennen. Ganz zu schweigen von den Kopfschmerzen, die Sie bekommen werden.“
Klang da Fürsorge aus seiner Stimme? Damit macht er mich nicht weich, dachte Taylor. So, wie mein Körper auf ihn reagiert, darf ich keine Sekunde lang vergessen, den Verstand einzuschalten. Das wäre nicht nur dumm, sondern auch gefährlich.
„Danke für den guten Ratschlag.“ Lächelnd wandte sie sich ab und ging in ihr Apartment, das bis auf ihr Schlafzimmer und ihr Bad leer geräumt war. Fast alle ihre Möbel und ihre persönlichen Dinge befanden sich jetzt bei ihren wertvollen Antiquitäten in einem Lagerhaus.
Nur das Schlafzimmer war ihr als Zufluchtsort noch geblieben. Hier stand das große Himmelbett mit der luxuriösen Bettwäsche. Das war ihr noch aus der Zeit geblieben, als ihr Bankkonto immer prall gefüllt gewesen war.
Taylor fand es nicht schlimm, dass sie ihren Weg jetzt selbst meistern musste. Sie sah es eher als Herausforderung, der sie sich zu stellen hatte. Das alles war so plötzlich gekommen, und niemand hatte auf ihre Gefühle Rücksicht genommen.
Es wäre noch stark untertrieben zu behaupten, dass sie ihrer Familie nicht sehr nahe stand. Ihre Familie war selbstsüchtig, und da konnte sie sich selbst auch nicht ganz ausschließen. Jeder dachte in erster Linie nur an sich, etwas, das Taylor nicht ausstehen konnte. Ihre Absätze klapperten über den Boden, während sie hin und her lief. Sie sehnte sich nach einem anderen Leben. Sie wollte mehr als das, was sie hatte. Irgendetwas fehlte ihr.
Nur selten gestattete sie sich solches Selbstmitleid, aber jetzt sehnte sie sich nach Aufmunterung und Mitgefühl. Sie setzte sich auf ihr Bett, kramte ihr Handy hervor und rief Suzanne an.
„Was machen meine Ladenräume?“, fragte Suzanne zur Begrüßung. „Kann ich bald einziehen?“
Im Hintergrund hörte Taylor das Klappern von Töpfen und Geschirr, und sie musste lächeln. Sofort ging es ihr besser. Suzanne duftete stets nach Vanille, auf ihrer Kleidung waren immer irgendwo Essenskleckse, und meist war sie gerade dabei, irgendeine Köstlichkeit zuzubereiten.
„Dein kleiner Laden macht sich“, beantwortete Taylor die Frage. „Deinem Party-Service steht kaum noch etwas im Weg.“
„Ich bin jedenfalls bereit.“
„Ich auch.“ Hoffentlich konnte sie dann auch zeitgleich in die anderen Geschäftsräume einziehen. Voraussetzung dafür war allerdings, dass sie auf einen weiteren Mieter verzichten konnte. Taylor seufzte. „Ich kann es kaum erwarten, dich wieder in meiner Nähe zu haben.“
Das Töpfeklappern verstummte. „Ich dachte, dir gefällt es, ganz allein zu leben.“
„Tja, eigentlich gefällt es mir nicht so sehr, wie ich gedacht hätte.“
Einen Moment lang war vom anderen Ende der Leitung kein Laut mehr zu hören. „Taylor? Was ist los?“
Mist, sie hatte sich verraten. Ihre Freundinnen bedeuteten ihr sehr viel, aber sie war es nicht gewohnt, sich ihnen zu offenbaren. Taylor fiel es ohnehin schwer, über ihre Probleme zu reden. Im Grunde vertraute sie sich überhaupt niemandem an. Sie wusste ja selbst nicht genau, was mit ihr los war. Irgendetwas fehlte
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