JULIA FESTIVAL Band 89
Angel ihm in Erinnerung. „Du kannst ruhig damit aufhören, uns ständig vor der großen bösen Welt beschützen zu wollen.“
Das stimmte wahrscheinlich. Aber nachdem er seine Geschwister ohne größere Katastrophen wie ungewollte Schwangerschaften und Drogenmissbrauch durch die Pubertät gebracht hatte, fühlte er sich immer noch verantwortlich für sie.
Angel gab ihm einen Kuss auf die Wange, ehe sie nach dem Scheck griff, den er für sie bereits auf den Tisch gelegt hatte. „Danke. Das ist dann für die Studiengebühren und die Bücher.“
Ryan aß weiter von seiner Suppe und murmelte etwas Unverständliches. Er war wirklich hundemüde, und ihm fielen schon die Augen zu.
„Ryan, du solltest echt mal ausschlafen. Kein heißes Date heute Abend, okay?“ Sie tätschelte ihm wohlwollend den Kopf. „Nicht so wie gestern, meine ich.“
Gestern Abend war er am selben College wie sie gewesen, allerdings lagen seine Unterrichtsräume in einem anderen Gebäude. Ryan stand kurz vor seinem Abschluss in Landschaftsarchitektur, und er konnte es kaum erwarten, das Geschäft mit der Baumpflege an den Nagel zu hängen. Von diesen Zukunftsplänen wussten Angel und ihre Brüder allerdings nichts, und deshalb hielten sie ihn für einen Sexbesessenen, der sich mindestens an drei Abenden pro Woche mit irgendwelchen Frauen traf.
Ryan hätte ihnen die Wahrheit sagen können, denn nachdem er ihnen zuliebe so lange seine eigenen Pläne zurückgestellt hatte, würden sie ihn sicher nach Kräften unterstützen.
Doch er wollte unbedingt etwas ganz allein schaffen und nicht wie üblich in der Gemeinschaft der vier Geschwister. Er liebte sie alle drei, aber er wollte keine Ratschläge über Studienkurse, Studentenleben oder Ähnliches hören. Außerdem hatte es noch einen anderen Vorteil, wenn sie glaubten, er würde ein wildes Liebesleben führen. Dann hörten sie wenigstens allmählich damit auf, ihn mit irgendwelchen Frauen zu verkuppeln. Diese Treffen waren bislang immer schrecklich verlaufen.
„Kein heißes Date“, stimmte er zu. Heute Abend gab es auch keine Kurse, er konnte also tatsächlich einmal ausschlafen.
Als er sich endlich wohlig seufzend ins Bett legte, war er so erschöpft, dass er sofort einschlief.
Um ein Uhr nachts schreckte er allerdings aus dem Tiefschlaf hoch, weil das Telefon klingelte. Im ersten Moment wollte er sofort weiterschlafen, aber dann fiel ihm ein, dass es vielleicht Russ oder Rafe waren, die in irgendwelchen Schwierigkeiten steckten. Oder Angel. „Wehe, wenn es nichts Dringendes ist“, brummte er, als er den Hörer abnahm.
„Ryan?“
„Ja?“ Das war weder Russ noch Rafe. Und auch nicht Angel.
„Hier spricht Taylor Wellington.“
Zum Glück weder Polizei noch Krankenhaus. Nur die Frau mit den alten und maroden Eichen vor dem Haus. Er war tatsächlich verärgert darüber gewesen, weil sie nicht einsehen wollte, wie dringend sie etwas unternehmen musste. Die Kleidung dieser Frau war mehr wert als sein Truck, aber obwohl er seinen Preis schon selbst gedrückt hatte, war sie nicht bereit gewesen, ihm den Auftrag zu geben. „Taylor, ist alles in Ordnung?“
„Nein. Sie haben mich doch wegen dieses einen Baums gewarnt. Der ist gerade umgestürzt, hat das Dach durchschlagen und ist ins Schlafzimmer des obersten Apartments gekracht. Sie müssen ihn wegräumen. Sofort.“
Dieser Baum schien mindestens hundert Jahre alt zu sein, und Ryan hatte sofort erkannt, dass er mit den Wurzeln nur noch schwach im Erdreich verankert gewesen war. „Zum Glück ist das Apartment ja unbewohnt.“
„Irrtum. Heute Abend ist meine neue Mieterin dort eingezogen. Suzanne. Sie haben sie gesehen, als Sie bei mir waren.“
Ryan konnte sich sofort an sie erinnern – rotes Haar, grüne, ausdrucksvolle Augen und, soweit man es unter dem weiten Kleid hatte erkennen können, ein wohl proportionierter Körper.
In ihrem Blick hatte er Interesse gelesen, aber in seinem Leben gab es im Moment keinen Platz für noch jemanden, der Ansprüche an ihn stellte. „Ist sie …?“
„Sie ist unverletzt, aber der Baum versperrt ihr den Ausgang.“
„Ich bin schon unterwegs.“ Er legte auf und nahm den Hörer sofort wieder ab, um Russ und Rafe zu wecken. Die Zwillingsbrüder stellten bei solchen Notfällen sein Einsatzteam. Zum Glück waren beide zu Hause.
Als Ryan zu seinem Truck lief, fühlte er sich wieder einmal seinen Brüdern gegenüber wie Mom, Dad, Boss und älterer Bruder zugleich. Für einen einzigen Menschen
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