JULIA FESTIVAL Band 95
verfasste. Aber seine Schwester hatte nicht erwartet, dass sie so jung sterben würde.
Er betrachtete das traurige kleine Mädchen und wünschte, er könnte mehr für seine Nichte tun.
„Ich habe in dem Brief geschrieben, dass derjenige, der ihn findet, mich besuchen soll“, gestand Anna Jane. „Ich habe eine Karte von der Insel gemalt und das Haus mit einem Kreuz eingezeichnet.“
„Ich verstehe nicht, was …“
„Ich habe den Brief in eine Flasche gesteckt und sie ins Wasser geworfen“, unterbrach sie ihn. „Deshalb ist sie hier.
Sie hat meinen Brief gefunden, und jetzt stirbt sie.“
Wie Mommy . Anna Jane sprach die Worte nicht aus, aber Jarrett hörte sie. Einsamkeit und Schuldgefühl. Die zwei Hunde, die das Tor zur Hölle bewachten. Wie konnte er ihr erklären, dass nichts davon ihre Schuld war?
„Wenn du deine Flasche erst vor Kurzem ins Meer geworfen hast, kann sie noch keine andere Insel erreicht haben“, sagte er.
Sie legte die Hände ineinander, betrachtete sie und lächelte plötzlich. „Du hast recht. Ich habe sie erst gestern ins Wasser geworfen.“ Sie ging zu ihm und berührte ihn. „Danke, Onkel Jarrett.“
„Kein Problem. Jetzt lass uns nach unserem rätselhaften Gast sehen.“
Er ging vor. Als sie unten am Strand ankamen, knieten Frank und Leona, das Ehepaar, das als Haushälterin und Gärtner auf dem Anwesen arbeitete, neben einer reglosen Gestalt.
„Bleib hier“, wies Jarrett seine Nichte an und eilte hinüber.
Leona erhob sich, als er näher kam. „Oh, Mr. Jarrett, Anna Jane hat Ihnen von ihr erzählt. Das arme Ding.“ Sie zeigte auf die Fremde. „Sie atmet, aber sie wacht nicht auf. Frank meint, wir können nicht wissen, was mit ihr ist. Haben Sie den Arzt gerufen? Wissen Sie, wer sie ist? Jemand aus dem Hotel vielleicht. Oder von einer Segeljacht. Sie könnte über Bord gefallen sein.“
Jarrett hockte sich neben die Frau und legte die Finger an ihren Hals. Der Puls war schwach, aber spürbar.
„Kennen Sie die Frau?“, fragte er seinen Gärtner.
„Nein.“
Jarrett betrachtete die junge Frau. Abgesehen von der dunklen Schwellung an der linken Seite des Gesichts, der Schnittwunde an der Stirn und den Kratzern an Armen und Beinen war sie blass. Das lange blonde Haar lag ausgebreitet auf dem Sand. Sie trug einen Badeanzug und Shorts. Keine Schuhe. Mitte zwanzig. Er hatte sie noch nie im Leben gesehen.
„Ich glaube nicht, dass etwas gebrochen ist“, vermutete Frank.
„Gut.“
Jarrett fügte sich in das Unvermeidliche, hob die Bewusstlose auf die Arme und trug sie zum Haus. Als er sie in einem der Gästezimmer aufs Bett legte, war Dr. John Reed bereits eingetroffen. Leona führte ihn nach oben, und Jarrett empfing ihn an der Tür.
Die beiden Männer gaben sich die Hand. John hatte an einer angesehenen Universität studiert und in New York eine einträgliche Praxis eröffnet. Nach fünfzehn Jahren in der Stadt hatte er sich ausgebrannt gefühlt. Jarrett hatte ihm ein tropisches Paradies, ein Haus am Meer sowie genug Geld geboten, um sein neues Leben zu genießen. Auf diese Weise bekam die Insel ihren ersten ansässigen Arzt, und John Reed hatte die Medizin nicht ganz aufgeben müssen.
„Was ist passiert?“, fragte er und beugte sich über die Bewusstlose.
Jarrett erzählte ihm, was er wusste. Er spürte, dass Leona, Frank und Anna Jane in der Tür standen und gespannt zusahen.
„Sie ist jung“, meinte John. „Und hübsch.“
„Hmm.“ Jarrett interessierte es nicht, wie sie aussah.
John untersuchte sie. „Nichts gebrochen. Nur ein paar Kratzer. Vermutlich hat sie eine Menge Wasser geschluckt. Ich …“
Ein leises Stöhnen ließ ihn verstummen. Jarrett ging näher ans Bett. Die Lider der jungen Frau zuckten, dann schlug sie die Augen auf. Ihre Farbe erinnerte ihn an Sommergras. Ein reines, makelloses Grün. Sie blinzelte.
„Was …“ Sie brach ab und hustete.
John setzte sich neben sie und lächelte. „Keine Angst, es ist alles in Ordnung. Sie hatten einen kleinen Unfall auf dem Meer, aber jetzt sind Sie okay. Ich bin Dr. John Reed. Holen Sie tief Luft, bevor Sie zu sprechen versuchen.“
Die Frau gehorchte. „Ich war im Meer?“, fragte sie und sah sich um. „Wo bin ich?“
„In einem Privathaus“, erklärte John. „Wie fühlen Sie sich?“
Die Frau bewegte sich und verzog das Gesicht. „Es tut weh, aber es geht.“
Sie hob die Hand und tastete über ihr Gesicht. „Bin ich gegen etwas gestoßen?“
„Es sieht so aus.“ John
Weitere Kostenlose Bücher