JULIA FESTIVAL Band 95
erzählen.“
Hielt Jean sie für eine reiche Amerikanerin, oder war er einfach nur charmant? Vielleicht sogar ein verkleideter Prinz? Es spielte keine Rolle. Er war nicht das, was sie wollte.
Sie blickte zu den Blumen und zu Jean. „Ich kann nicht.“
„Morgen?“
Sie schüttelte den Kopf, und ihre Tränen kehrten zurück.
Er runzelte die Stirn. „Was ist los, Kayla?“
„Nichts.“ Entschlossen sammelte sie ihre Postkarten und ihre Fotos ein und stopfte beides in ihre Handtasche. Dann legte sie einige Münzen auf den Tisch, stand auf und eilte davon.
„Kayla?“
Jean klang verwirrt, kam aber zum Glück nicht nach.
Kayla weinte weiter und merkte kaum, wohin sie ging.
Zehn Minuten später hatte Kayla sich so weit wieder in der Gewalt, dass sie sich umsehen und feststellen konnte, wo sie war. Ihr Hotel lag nur zwei Blocks entfernt.
Kurz darauf sank sie auf das Bett, vergrub das Gesicht in beiden Händen und schluchzte. Dies war nicht, was sie wollte. Sie vermisste ihre Freunde und ihr früheres Leben. Reisen war fabelhaft, aber nicht ohne einen Menschen, mit dem man sich austauschen konnte – den man liebte.
„O Patrick“, krächzte sie und griff zum Telefon. Es spielte keine Rolle, dass er sie nicht liebte. Sie musste unbedingt seine Stimme hören und ihm sagen, wie viel er ihr bedeutete. Es war später Nachmittag in Paris. Die Tierklinik würde gerade erst öffnen.
„Walcott Tierklinik. Was kann ich für Sie tun?“
„Cheryl?“
„Kayla, bist du es?“
„Ja. Ich bin in Paris.“
Cheryl lachte leise. „Meine Güte, hast du nichts Besseres zu tun, als zu telefonieren? Wenn ich dort wäre, würde ich mir einen gut aussehenden Franzosen angeln und mir zeigen lassen, weshalb die Pariser als tolle Liebhaber gelten.“
„Ich könnte dir jemanden nennen“, murmelte Kayla und fuhr fort: „Ist Patrick schon da?“
„Patrick?“, wiederholte Cheryl erstaunt.
„Dein Chef. Ist er da?“
„Nein, er ist nicht da.“
„Ist er noch zu Hause?“ Sie musste unbedingt mit ihm reden und ihm erzählen, wie allein sie sich fühlte.
„Ich dachte, du wüsstest es“, sagte Cheryl.
Kaylas Brust zog sich ahnungsvoll zusammen. „Was sollte ich wissen?“
„Patrick ist in Washington D.C. und versucht, trotz allem noch Fördergelder zu bekommen.“
„Wie bitte?“ Kayla starrte auf das Telefon. Es war doch alles geregelt.
Plötzlich fiel ihr ein, dass Patrick sehr spät zu ihrer Abschiedsparty gekommen war und sich ziemlich merkwürdig benommen hatte. Auch Elissa hatte sich seltsam verhalten. Als hätte sie etwas zu verbergen.
„Lass nur“, fuhr sie fort. „Ich weiß, wen ich anrufen kann. Bis später.“
Sie legte auf und wählte die Nummer ihrer Schwester.
„Wie ist Paris?“, fragte Elissa. „Amüsierst du dich gut?“
„Nein, aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich habe gerade in der Klinik angerufen und erfahren, dass Patrick in Washington ist und Probleme mit seinen Fördergeldern hat. Was weißt du darüber?“
Elissa seufzte. „Ich hatte Patrick gedrängt, es dir vor deiner Abreise zu erzählen. Aber er war strikt dagegen. Tut mir leid, Kayla. Ich musste schwören, ebenfalls den Mund zu halten.“ Sie berichtete von der Veruntreuung der Gelder.
„Deshalb ist er also nach Washington geflogen. Um zu retten, was zu retten ist.“
„Ja. Er arbeitet direkt mit der Gründungsstiftung zusammen. Sie hilft ihm außerdem mit Notgeldern aus anderen Quellen.“
Kayla lief nervös mit dem Hörer in der Hand hin und her. „Weshalb wollte Patrick nicht, dass ich von seinen Schwierigkeiten erfahre?“, fragte sie ungläubig und sank zu Boden.
„Er war sicher, dass du ihm sofort deine Hilfe anbieten würdest.“
„Und was wäre daran so schlecht?“ Offensichtlich traute Patrick ihr nicht.
„Er fürchtete, du würdest deine Reise verschieben und ihm das Geld geben“, sagte Elissa leise.
„Anders ausgedrückt: Er wollte nicht, dass ich noch länger blieb“, erklärte sie verbittert, und ihr Hals zog sich schmerzlich zusammen. „Ich liebe den Mann, Elissa. Ich hätte alles für ihn getan.“
„Hast du es ihm jemals gesagt?“
„Nein. Ich hatte auf eine Andeutung von ihm gewartet. Alles ging so schnell, dass ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. In unserer letzten Nacht hatte ich gehofft, er würde mich bitten zu bleiben.“
„Hast du es ihm vorgeschlagen?“
„Einen Moment hatte ich daran gedacht.“
„Du hast also erwartet, dass er das Risiko allein auf sich
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